13 Maßstabsgerechtes Sammeln

Bisher habe ich stillschweigend vorausgesetzt, dass wir Modellautos im Maßstab 1:87 sammeln. Aber das muss ja nicht immer so bleiben. 

Wer Pkw-Modelle sammelt, wird sich irgendwann einmal für größere Maßstäbe erwärmen. Vielleicht interessiert man sich für die detailliertere Darstellung von Einzelheiten, aber man wird in Kauf nehmen müssen, dass das Hobby nun erheblich teurer werden wird. Ganz grob gesehen gilt, je größer das Modellauto, desto höher der Preis. Wer M 1:8 sammelt, wird allerdings auch nicht viele Modelle zu Hause beherbergen können, die nehmen schon einen ganz schönen Raum ein. Das Platzproblem ist auch der Grund dafür, dass Lkw-Sammler meistens auf Maßstäbe wie 1:50 und 1:87 ausweichen, denn eine große Sammlung anderer Maßstäbe ist kaum irgendwo unterzubringen. Sammler von Motorradmodellen hingegen sind wegen der vielen filigranen Bauteile auf Maßstäbe wie 1:18 oder 1:24 angewiesen. Ein Modell im Maßstab 1:87 ist schon zu stark stilisiert.

 MB L 319 im M 1:22,5. Im Gartenbahnmaßstab

kann man z.B. auch Schiebetüren darstellen.

Zwischendurch gefragt: warum eigentlich maßstabsgerecht?

Vielen Sammlern bedeutet die Gewährleistung eines einheitlichen Maßstabes recht wenig, denn wer beispielsweise nur Modelle der Marke Aston-Martin sammelt, möchte alles sammeln, querbeet sozusagen durch alle Maßstäbe.

Bei anderen Sammlern gilt genau das Gegenteil. Wer von der Modelleisenbahn her kommt, für den ist durch die Spurweite (Z, N, TT, H0, 00, 0 oder G) der Maßstab der Modelle bereits festgelegt. Zu Z paßt 1:220, zu N 1:160, zu TT 1:120, zu H0 1:87, zu 00 1:76, zu 0 1:43 und zu G 1:22,5. Natürlich stört es auf einer Modellbahnanlage oder einem Diorama gewaltig, wenn die Modellautos zu den Lokomotiven und Häusern nicht passen.

Anmerkung: Wenig bekannt ist die Spurweite S, die im M 1:64 gehalten ist. Sie ist praktisch nur in den USA anzutreffen. Entsprechend wenige Hersteller bieten Modelle dieses Maßstabes an, z.B. Winross oder Ertl. Selbstverständlich gibt es noch mehr Spurweiten, dazu unten mehr.

 

Rückblick: Mit zweierlei Maß gemessen

Diesen Abschnitt sollten sie nur lesen, wenn sie genau wissen wollen, wie die gängigen Maßstäbe für Modellautos entstanden sind. Um das zu verstehen, muss man leider ein bisschen weit ausholen.

Die meisten bekannten Maßstäbe verdanken wir der Modelleisenbahn, andere dagegen sind vom Dezimalsystem her bestimmt. Da der Mensch zehn Finger hat, kennen wir in unserer Kultur ein Zahlensystem, das auf der Zehn (lateinisch "decem") beruht. Als Kinder haben wir noch an den Fingern abgezählt. Sagen sie jetzt nicht, das sei doch völlig normal. Mein Mathematiklehrer hat mir nämlich erzählt, dass die Chinesen ein Fünfersystem benutzen und sie rechnen mit einer Hand schneller als wir mit zweien. Noch schneller rechnen Computer mit einem binären Zahlencode, der besteht nur aus zwei Ziffern, der 0 und der 1, denn mehr versteht so ein dummer Computer nicht. Null bedeutet für ihn "Strom aus", Eins bedeutet "Strom ein". 

Dezimale Maßstäbe im Bereich der Modellautos sind 1:100, 1:50 und der etwas seltenere Maßstab 1:25. Bei Modellflugzeugen werden sie beispielsweise auch 1:200 finden, meine Papierschiffe hatten 1:250, winzige Schiffsmodelle gibt es auch in 1:1250. Die letzteren beiden Maßstäbe stammen aus dem Architekturbereich, bestimmte Karten wurden so ausgelegt.

 

Wo zum Teufel kommen aber die "krummen" Maßstäbe der Modelleisenbahn her? Nun, wir verdanken sie der „echten“ Eisenbahn. Als man nämlich die ersten Modelleisenbahnen in England zu bauen begann, richteten sich die Ingenieure nach der Spurweite der "richtigen" Eisenbahn. Da es sich um englische Ingenieure handelte, maßen sie in Inches. Ein Inch hat 0,025 Meter oder 2,5 Zentimeter. Manchmal höre ich den Ausdruck "Zoll" in diesem Zusammenhang, aber das ist nicht ganz richtig. Ein preußischer Zoll zum Beispiel hatte eine Länge von 0,02615 Metern. Bleiben wir also bei Inch.

Die "richtige" Eisenbahn hatte nun eine Spurweite von 56,5 Inch. Das verdanken wir dem Eisenbahnpionier George Stephenson, dessen Lokomotive „Rocket“ einen Wettbewerb gegen die damalige Konkurrenz gewann und dadurch populär wurde. Bald gab es in England schon ein Streckennetz von 500 Meilen dieser Spurweite, daher empfahl 1845 das englische Parlament, diese zur Norm zu machen. Dezimal ausgedrückt betrug Stephensons Spurweite 1435 mm. Es gab in den Anfangsjahren jedoch gerade in England keine einheitliche Spurweite. Brunel, der die „Great Western“ Bahn betrieb, wählte die „bessere“ Spurweite von (umgerechnet) 2134 mm, die Badischen Staatsbahnen in Deutschland hatten 1600 mm. Stephensons Spurweite wurde später in den meisten Ländern zur Norm, aber bei weitem nicht in allen (Russland, Spanien usw.). Ganz davon abgesehen, dass es noch eine Unzahl von Schmalspurbahnen als Nebenbahnen gab. Viele Straßenbahnen laufen auf der Meterspur.

Wie auch immer: Die ersten Modelleisenbahnen wurden nun auf ein Sechstel verkleinert, die Spurweite war damit annähernd 9,5 Inch. Es gab auch eine auf ein Achtel verkleinerte Modellbahn, deren Spurweite annähernd 7,25 Inch betrug. Diese noch ziemlich riesigen Modelleisenbahnen dampften (ja, sie dampften wirklich, denn sie hatten ja auch verkleinerte Dampfmaschinen als Antrieb) durch Parkanlagen oder Gärten, es waren also so genannte Park- oder Gartenbahnen. Die Hersteller gaben sich alle Mühe, die Modelleisenbahnen weiter zu verkleinern, und sie schafften das auch. Bald schrumpfte die Spurweite auf 5 Inch (5" wird das oft geschrieben) und weiter auf 2,5"; 2" und 1,75". Die letzten drei Spurweiten wurden sozusagen zum Standard in England, deshalb bezeichnete man sie bald als scale (Maßstab) 3, 2 und 1. Die weitere Verkleinerung ließ aber nicht lange auf sich warten, wie nannte man nun die nächstkleinere Spurweite? Sie ahnen es, diese bekam dann die Bezeichnung scale  0, obwohl es sich streng genommen gar nicht um einen Maßstab handelte, sondern um eine Spurweite, die 1,5" betrug. Dies ergibt einen echten Maßstab von 1:45,2! Das war natürlich völlig krumm und entsprechend schwierig für die Konstrukteure umzusetzen. Die englischen Techniker halfen sich auf einfache Weise, indem sie englische und kontinentale (metrische) Maße mixten. Ein Fuß (foot) in der Realität sollte nun 7mm beim Modell entsprechen. Auf diese komplizierte Weise ist der Maßstab 1:43,5 entstanden, wobei man später der Einfachheit halber die Zehntelstelle wegließ und auf 1:43 kam! Leider war das noch nicht alles, denn einige englische und amerikanische Formenbauer machten sich die Geschichte bei der Umsetzung eines foot in den Bereich der Spurweite 0 doch etwas zu einfach. Sie fanden es sehr bequem, bei der Vermessung ein Viertel Inch (beim Modell) einem foot (beim Original) gleichzusetzen, was dann den Maßstab 1:48 ergibt. Frühe Dinky oder Tootsietoys Modelle und viele andere weisen diesen Maßstab auf.

Es gibt jedoch noch eine andere, vielleicht plausiblere, Erklärung für den M 1:48. Im britischen Empire war es nämlich üblich, folgende Maßstäbe zu verwenden:

1/8 Inch entspricht einem Fuß in der Wirklichkeit (1:96)

¼ Inch entspricht einem Fuß in der Wirklichkeit (1:48)

½ Inch entspricht einem Fuß in der Wirklichkeit (1:24)

In den frühen 1970er Jahren wurden alle Pläne in Großbritannien auf das metrische System umgestellt, dadurch ergaben sich folgende Berichtigungen:

1:96 (imperial scale) wurde 1:100 (metrisch)

1:48 (imperial scale) wurde 1:50 (metrisch)

1:24 (imperial scale) wurde 1:20 (metrisch)

 

 

Vauxhall im M 1:43

In den 1930er Jahren wurden die Modelleisenbahnen noch weiter reduziert, denn man war ja vom Dampfmaschinenantrieb auf den Antrieb durch Uhrwerke oder Elektromotoren übergegangen, die eine weitere Miniaturisierung erlaubten. Die Halbierung der Spurweite 0 nannte man Halbnull oder abgekürzt H0 (ha-null), nicht wie man immer wieder liest HO (ha-oh). Halbiert man den M 1:43,5 erhält man den M 1:87. Dieser Maßstab jedenfalls setzte sich in Kontinentaleuropa (nicht in England) und den USA durch. Es klingt etwas witzig, aber es war tatsächlich so, dass die Lokomotiven in England meistens kleiner waren als die in den USA und in Kontinentaleuropa. Deshalb war es für die englischen Techniker sehr schwierig, die damals noch reichlich großen Modelleisenbahnmotoren in den Lokomotivmodellen unterzubringen. Während man also in den USA 3,5 mm (im Modell) für einen Fuß (beim Original) nahm, bevorzugten die englischen Modelleisenbahnhersteller die Umrechung von 4 mm für einen Fuß. Auf diese Weise wurden die Modelle etwas größer, die Motoren passten nun in die Lokomotiven. Der so gewonnene Maßstab wurde 00 genannt (was in Deutschland etwas "anrüchig" klingt, in England aber z.B. üblich war als Größenangabe für Stricknadeln oder Pinsel) und ist 1:76. Wohlgemerkt gilt der Maßstab in diesem Falle nicht für die Spurweite, sondern für das rollende Material! Selbstverständlich war es auch viel einfacher, 4mm für einen Fuß zu berechnen. Den Kontinentaleuropäern hätte das wenig gebracht, weil man hier ja metrische Maße und nicht Fuß benutzt. Der M 1:76 spielt in England bis zum heutigen Tage noch eine große Rolle. Eine Unzahl von Herstellern bietet Modelle in 00 an, dabei überwiegend Busse und Lkw, aber auch Pkw sehen in dieser Größenordnung nicht schlecht aus.

Was ich wirklich nicht weiß ist, weshalb der M 1:72 daneben eine Rolle spielt. Wahrscheinlich muss da irgendwann mal ein Missverständnis vorgelegen haben, so dass man 00 für 1:72 hielt. War das so? Wer weiß mehr darüber? Jedenfalls ist es heute ein überaus beliebter Maßstab für Armeemodelle. Vielleicht liegt es daran, dass ein Modellsoldat dann genau die Höhe von 1 Inch erreicht. War dies der Grund? Wie auch immer, M 1:72 ist seit langem etabliert und hat sich auch bei Modellflugzeugen durchgesetzt.

 

Bei einem anderen "krummen" Maßstab, 1:32, gibt es zwei Erklärungsmöglichkeiten. 

Erstens zeigte Märklin 1891 auf der Leipziger Messe eine Systembahn mit 45 mm Spurweite von Innenseite zu Innenseite der Schiene (48 mm Spurweite von Schienenkopfmitte zu Schienenkopfmitte gemessen), die als Spur I zum Standard wurde. Sie ergibt den Maßstab 1:32. Die nächst größere Bahn hieß Spur II und war M 1:28, IIa der Firma Schoenner (bei Bing und Carette Spur III bzw. 3 genannt) war M 1:22, Spur III (bei Bing IV oder 4 genannt) war 1:20.

Zweitens war es so, dass die Größe von Zinnsoldaten die Richtung bestimmt hat. Die englische Firma "Britains" hatte ihre Zinnsoldaten, die 2,25 Inch hoch waren, zum Standard gemacht, woraus sich der M 1:32 ergab, der heute noch bei Traktoren und anderen landwirtschaftlichen Modellen eine Hauptrolle spielt.

 

Maßstabslineal für M 1:87

Nebenbei ist noch ein kleiner Maßstab zu erwähnen, der nie besonders in Erscheinung getreten ist. Er wird als 000 bezeichnet und hat das Verhältnis M 1:152 (halb so groß wie 00). 

Um das "Maß" voll zu machen wollen wir noch einige andere Größenordnungen erklären, soweit das überhaupt möglich ist. Die metrischen Maßstäbe 1:100 (wunderbar einfach umzurechnen), 1:50, 1:25, 1:20 usw. erklären sich von selbst. Gelegentlich "mogeln" einige Hersteller, z.B. nimmt man 1:75 statt 1:76, weil in der "metrischen Welt" die Umrechnung viel einfacher ist. Den größeren Maßstäben 1:25 und 1:20 stellen die Briten ihren M 1:24 gegenüber, der sich aus der Verdoppelung ihres beliebten 1:48 ergibt.

 

Einige Maßstäbe kann ich nicht erklären, obwohl sie auf dem Markt eine große Rolle spielen. Oder wissen sie, wo M 1:18 herkommt? Es gibt bei den großen Modellen auch 1:14, vielleicht deshalb, weil er fünfmal so groß ist wie 1:43?

 

Was soll man zu den folgenden Individualisten sagen? 1:36 bei Corgi, 1:40 bei Diapet, 1:42 bei Spot-On, von Dinky fortgesetzt, 1:55 bei Siku, 1:60 bei den Armeemodellen von Dinky, 1:66 bei Corgi, Impy, Best Box, Schuco und vielen Pkw-Billigmodellen aus Hongkong und anderen Ländern.

 

Bei Nutzfahrzeugmodellen und Baumaschinen hat sich in den letzten Jahrzehnten 1:50 durchgesetzt, vielleicht weil die Dinky "Supertoys" irgendwann mal mit 1:48 begonnen haben und die kontinentaleuropäischen Konkurrenten dem einen fast gleichen metrischen Maßstab entgegensetzten (Conrad, Tekno, Lion). Der britische Hersteller A. Smith hält jedoch eisern am M 1:48 fest. Macht ja auch nichts, den Unterschied merkt man kaum.

 

Leider haben sich die Hersteller lange Zeit einen Dreck um die Modellautosammler und ihren "Fimmel" gekümmert, maßstabsgerechte Modelle haben zu wollen. Einige Modellautozeitschriften setzten sich aber massiv dafür ein, dass sich die Produzenten endlich bemühten, eben dieses zu tun. Und siehe da, es wurde tatsächlich besser. 

Hier muss man besonders lobend die Modellbahner aus der ehemaligen DDR erwähnen, die sich schon viel früher energisch für maßstabsgerechte Modellfahrzeuge stark machten. Die Firma Espewe stellte daher von Anfang an (1961) Modellautos im M 1:87 bzw. 1:120 her. In Westdeutschland hatten die beliebten Wiking-Modelle da immer noch den Maßstab 1:90. Es war der 1978 neu auf dem Markt erschienene Hersteller Herpa, der ganz bewußt maßstabsgerechte Modellautos anbot. Der Erfolg war so groß, dass auch der Traditionalist Wiking sich endlich dazu bequemte, seinerseits auf 1:87 umzustellen.

 Fazit:

International werden Pkw und Lieferwagen im M 1:43 gesammelt, Lkw, Busse und Baumaschinen im M 1:50. Nur in Deutschland überwiegen in allen Bereichen Modelle im M 1:87, in England ist der M 1:76 bei Sammlern von Bussen sehr beliebt. Sammler von Armeemodellen aus England und den USA bevorzugen meistens 1:60 und 1:72. Landwirtschaftliche Modelle kommen oft im M 1:32 oder 1:16 daher. Plastikbausätze sind häufig 1:24. Aber wie gesagt, es gibt noch viele andere Möglichkeiten.

Bei vielen alten Sammlermodellen muss man allerdings mit krummen Maßstäben leben.