12 Sammelgebiete

 Im ersten Kapitel habe ich schon darauf hingewiesen, dass der Sammler angesichts des riesigen, unüberschaubaren Angebots an Modellautos gezwungen ist, sich zu spezialisieren. Dazu reicht es nicht, sich auf einen bestimmten Maßstab zu konzentrieren, wie ich das mit diesem Buch getan habe. Es gibt viele sinnvolle Möglichkeiten, ein persönliches Sammelgebiet zu finden, das dann oft auch wieder maßstabsübergreifend sein wird.

Übrigens finden Sie im nächsten Kapitel Informationen über das Thema Maßstab, des weniger trocken ist als man vermuten sollte.

Eine zuverlässige Statistik über Sammelgebiete gibt es nach meiner Kenntnis bisher nicht. Deshalb hat die Reihenfolge, in der ich die Sammelgebiete behandele, mehr oder weniger den Charakter einer Annahme. 

Wahrscheinlich sammeln die meisten Modellfreunde Einsatzfahrzeuge oder zumindest Teilgebiete davon. 

Einsatzfahrzeuge: Feuerwehr, THW, Polizei, Rettungsdienste, Post, Bahn.

Die Beliebtheit dieses Sammelgebietes erklärt sich daraus, dass viele Feuerwehrleute, Polizisten oder Postler sich auch nach Feierabend noch mit ihrem Beruf beschäftigen. Nun aber in Miniaturform. Es gibt sogar mehrere Clubs in Deutschland, die sich nur diesem Gebiet widmen. Natürlich lassen diese Enthusiasten nichts unversucht, um gerade das Fahrzeug zu bauen, das im Fuhrpark im Original vorhanden ist. Selbstverständlich bieten die Hersteller überwiegend Standardmodelle, um einen Umbau kommt man daher meistens nicht herum.

Alles im roten Bereich

Pkw Modelle: Besonders beliebt sind die Marken Porsche und Ferrari, aber auch Mercedes, Opel und andere bekannte Marken. Manchmal müssen es aber alle Mantas, Trabbis oder weiß der Teufel was sein. Entweder handelt es sich um besonders markentreue Sammler, die selbst nie etwas anderes fahren würden als z.B. Ford, und in der Vitrine nur Ford-Modelle dulden, oder aber um Sammler, die ihren Traumwagen, Rolls-Royce zum Beispiel, wenigstens in verkleinerter Form bewundern möchten. Meistens sammeln sie quer durch alle Maßstäbe.

Nebelunfall auf der A 3?

Rennsport: Schumi und die DTM-Serie haben Anfang der 1990er Jahre einen ziemlichen Boom bei Rennsportmodellen ausgelöst. Die DTM gibt es schon lange nicht mehr, aber in den Vitrinen der Sammler hat sie deutliche Spuren hinterlassen. Rennsportmodelle sind teuer, weil die Hersteller der Modelle heftige Lizenzgebühren zahlen müssen. Außerdem ist der Druck von meinetwegen 30 Werbebotschaften auf der rasenden Litfaßsäule ziemlich aufwendig. Mich begeistern vor allem Rennsportmodelle von gestern, z.B. die morem-Serie aus Metall oder die Resine-Boliden von Bohemia. In den letzten Jahren gibt es auch immer mehr Siegermodelle der 24-Stunden von Le Mans.

Formel H0

Lkw Modelle: Wer als Trucker Tag für Tag auf Europas Autobahnen unterwegs ist, den lässt die Fernstraßenromantik auch in der Freizeit nicht los. Beliebt sind Traditionsmarken wie Büssing, Henschel, Mercedes-Benz, Magirus, dann werden auch gern Speditionen gesammelt wie Willi Betz, Danzas, Kühne & Nagel, Deutrans, Kieserling, Dachser. Mancher sammelt bestimmte Aufbauvarianten wie Sattelzüge oder Baufahrzeuge. Auch bei diesem Sammelgebiet sind viele Modellfreunde gezwungen, individuelle Stücke selbst herzustellen, obwohl der Markt schon eine Fülle ausgezeichneter Lkw-Modelle bietet.

AWM ist Spezialist für Speditionsmodelle

Busse: Obwohl wir alle viel zu selten einen Bus benutzen, sammeln wir die Miniaturen sehr gern. Mittlerweile gibt es ja auch überaus schöne Busmodelle, z.B. von Rietze. Auch andere Produzenten kommen an Busmodellen in ihrem Sortiment nicht vorbei. Trotzdem bleibt für Kleinserienhersteller noch genügend Spielraum, denn viele Busse aus verschiedenen Epochen sind bisher noch nicht nachgebildet worden. Sehr beliebt sind Busmodelle in England, viele Weißmetallbausätze stammen von der Insel.

Sammler von Bundesligabussen sind nicht abstiegsbedroht

Straßenbahnen: Weniger verbreitet ist das Sammeln von Straßenbahnmodellen. Es gibt jedoch Berührungspunkte mit Modelleisenbahnern, denn viele Straßenbahnmodelle sind motorisiert und laufen auf einem eigenen Schienensystem, oft mit Oberleitung. Gute Straßenbahnmodelle kosten deshalb ein hübsches Sümmchen. Die Zahl der Hersteller ist ziemlich begrenzt, meistens handelt es sich um Kleinserien.

Eine schöne Straßenbahn aus Slowenien

Zweiräder: Motorräder oder Fahrräder sind im M 1:87 schon so winzig, dass man sie praktisch nur extrem stilisiert nachbilden kann. Wer sich ernsthaft als Sammler mit Zweirädern beschäftigt, wählt seine Modelle lieber in Großmaßstäben wie 1:8. Meistens werden H0-Zweiräder nur ergänzend gesammelt. Das Angebot reicht von niedlichen Fahrrädern aus Messingätzteilen bis zu Motorrädern aus Weißmetall oder Resine. Dies ist eine Domäne der Kleinserienhersteller.

Hildebrand&Wolffmüller Gespann von MoMiniatur

Landmaschinen: Nachdem der Traktor-Boom der 1950er Jahre abgeklungen war und viele alte Traktoren in Scheunen vor sich hin rosteten, brach in unserer Wohlstandsgesellschaft Jahrzehnte später eine Sammelwut ohnegleichen aus. Fast in jedem Dorf gibt es heute Trecker-Enthusiasten, die die guten alten Stücke aufgemöbelt haben und auf Treckertreffen vorführen. Entsprechend leidenschaftlich werden  auch Traktorenmodelle gesammelt, daneben landwirtschaftliche Anhänger, Mähdrescher usw. bis hin zum Pferdegespann. 

Zurück zur Natur

Baumaschinen: Hier kommt Bewegung ins Sammelhobby, denn viele Baumaschinenmodelle sind Funktionsmodelle mit beweglichen Teilen, z.B. Bagger, Bulldozer, Kräne, Muldenkipper, Grader. Der Baumaschinensammler muss viel Platz haben, denn ein Baukran erreicht im Modell die stolze Höhe von etwa einem Meter. Er braucht außerdem ein gut gefülltes Portemonnaie. 

Kranmodell von Gescha

Armeemodelle: Viele Wehrdienstpflichtige waren froh, wieder ins Zivilleben zurückkehren zu können, aber ihren alten Panzer wollten sie wenigstens als Modell in guter Erinnerung behalten. Armeemodelle führen dennoch zur Zeit ein Nischendasein. Sie wurden vor 30 Jahren als Kriegsspielzeug verdammt. Engländer, Amerikaner und Franzosen schert das einen Dreck. Sie sammeln Armeemodelle vollkommen unbekümmert. Ein interessantes Stück Technik stellen Panzer und Militärlastwagen ja schließlich auch dar.

Jagdpanzer von HJG im Tarnschema

Epochen: Einige Sammler konzentrieren sich auf einen bestimmten Zeitabschnitt. Sehr beliebt sind (wie bei den Modelleisenbahnern) die 1950er Jahre, aber auch die 1930er oder 1960er Jahre stehen dem nicht viel nach. Häufig präsentieren Epochensammler ihre Modelle auf einem gut gestalteten Diorama im Stil der Zeit. Manche Epoche ist noch unterrepräsentiert, weil die Hersteller Risiko oder Aufwand scheuen, ich denke da vor allem an Modellautos aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, aber auch aus den 1920er Jahren.

Länder: Zahlreich sind die Freunde von US-Vorbildern, ich persönlich schätze besonders die US-Pkws der Heckflossenära, daneben natürlich die pittoresken US-Trucks wie Kenworth, Peterbilt, Freightliner, White, Mack usw. Aber auch französische oder englische Vorbilder haben ihre Fans. Leider wird das im M 1:87 zu selten berücksichtigt. Freunde des sonnigen Italien scheinen nur eine Marke zu kennen, Ferrari. Wo bleiben Fiat-Modelle? Merkwürdigerweise sind japanische Vorbilder immer noch wenig gefragt. Spanien ist durch Anguplas bzw. Eko ganz gut vertreten, Tschechien durch IGRA und einige Kleinserien.

US Trucks von Promotex, vorn ein Freightliner Cabover, dahinter ein Kenworth Conventional

Groschenautos

Im Prinzip kann man alles sammeln, aber lohnt es sich, billige Massenprodukte wie die so genannten Groschenautos zu sammeln?

Wer unter „lohnend“ nur den Sammelwert der Groschenautos versteht, wird die Frage verneinen. Selbst ältere Exemplare aus den frühen 1950er Jahren sind im Sammelwert selten über 5 Euro angesiedelt.

Wer jedoch unter „lohnend“ einen ideellen Wert versteht, wird sich vielleicht einmal diesem speziellen Gebiet zuwenden und dabei seine Freude haben.

Was sind Groschenautos?

Im Prinzip versteht man unter Groschenautos billiges Kinderspielzeug, das seit etwa den 1920er Jahren eben für einen Groschen zu haben war. Das darf man aber nicht allzu wörtlich nehmen. In meiner Kinderzeit kosteten Wundertüten mit Groschenautos darin mindestens 2 Groschen.

Penny Toys

Deutschland war einmal ein Billiglohnland und exportierte zu dieser Zeit, die man grob gesehen von der Gründung des Deutschen Reiches (1871) bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts ansetzen kann, große Mengen preiswerten Spielzeugs in reiche Länder wie England, Frankreich und die USA. Deutsche Exportfirmen waren in diesen Ländern gefürchtet, zunächst der günstigen Preise wegen, später wegen der immer besseren Qualität dieser Waren. England wehrte sich nicht nur mit den üblichen hohen Einfuhrzöllen, sondern mit einem besonders miesen Trick: Man zwang die deutschen Hersteller dazu, auf ihren Produkten den diskriminierenden Hinweis „Made in Germany“ aufzubringen. Der englische Käufer sollte nach dem Motto „buy british“ vom Kauf deutscher Waren abgehalten werden. „Made in Germany“, das war Billigkram, den man meiden sollte. Der Schuss ging nach hinten los, bald galt „Made in Germany“ als Qualitätsbegriff. Selbst das billige Spielzeug, in England als „Penny Toys“ bezeichnet, war von recht guter Machart. Doch in der Mitte der 1950er Jahre war Schluss mit der Produktion von Billigspielzeug in Deutschland, andere Länder übernahmen nun diese Funktion, beispielsweise Italien und Japan (ja, damals), später Hongkong (ist auch schon wieder überholt), heute China.

Aber kehren wir gedanklich noch einmal nach Deutschland zurück, in die große Zeit des Groschenspielzeugs. Man sprach auch abschätzig von Dutzendware, das war darauf zurückzuführen, dass billige Spielzeugartikel nur im Dutzend (12 Stück) abgegeben wurden, denn dies war lange Zeit die Standard-Verpackungseinheit.

Wie gesagt verließen die letzten Groschenautos in den 1950er Jahren die deutschen Produktionshallen, meistens handelte es sich um einfaches Blechspielzeug, z.B. kleine Lkw- oder Pkw-Modelle aus lithografiertem Blech. Das Interesse der Kinder an diesen preiswerten Modellautos ließ ziemlich rasch nach, denn mittlerweile waren die damals neuartigen Kunststoffmodelle wesentlich attraktiver. Die letzten Groschenautos aus Blech wurden zum Schluss an Kirmesbuden verhökert.

Einen Haken hatte die Sache mit den Kunststoffmodellen aber doch. Die Maschinen und Formwerkzeuge zu deren Herstellung waren ziemlich teuer, so dass beispielsweise Wiking-Autos nicht gerade zu den Sonderangeboten zählten. Ein Pkw-Modell kostete damals schon 50 oder 60 Pfennig, und das war kein Billigspielzeug. 

Diese 1958 von der Norddeutschen Plastik GmbH Hamburg hergestellten Groschenautos wurden später von anderen Produzenten erneut angeboten.

Einigen Groschenauto-Herstellern gelang dennoch die Umstellung auf Kunststoff. Sie setzten auf preiswerte Formwerkzeuge und hohe Stückzahlen, so dass sich die Investition in Kunststoff-Spritzgießmaschinen baldmöglichst amortisierte. Ein Paradebeispiel dafür ist die in den 1950er und 1960er Jahren ungemein aktive Firma Manurba (Manfred Urban aus Bamberg). Man entwickelte sehr einfache Modellautos ohne Bodenplatte, wobei sehr deutliche Anleihen bei Wiking gemacht wurden. Während die Wiking-Modelle aber immer weiter verbessert wurden, blieben die Manurba Produkte auf dem Stand der frühen 1950er Jahre stehen. Die Karosserien der Modelle hatten wie gesagt keine Bodenplatte und sie blieben auch unverglast. Während die Achsen anfangs noch aus Stahl waren, fertigte man später Räder und Achsen als ein gemeinsames Teil aus Kunststoff. 

Um die Spritzgießmaschinen auszulasten, produzierte man ein sehr umfangreiches Sortiment, kleine Schiffs- oder Flugzeugmodelle, Trillerpfeifen, Püppchen, Kinderschmuck, Kinderbrillen und so weiter. Manfred Urban, der Firmeninhaber, warb denn auch in seinem Katalog: „Manurba-Plastik bringt für wenig Geld sooo viel zum Spielen.“

Manurba Modelle aus Bamberg, hinten eine Wiking-Kopie, vorn eine eigene Form

Heute sind die Manurba Groschenautos nicht nur meiner Ansicht nach unbedingt sammelwürdig und man findet sie auf vielen Flohmärkten auch heute noch. Die Stückzahlen müssen riesig gewesen sein. Die wenigsten dieser Artikel sind als Groschenspielzeug im Spielwarenhandel verkauft worden, die Vertriebswege waren ganz anders. Die Modellautos dienten überwiegend als Zugabeartikel oder als Packungsbeilagen, auch Füllartikel genannt. Gelegentlich findet man Werbung auf den Modellen, auf einem meiner Porsche-Modelle ist zum Beispiel „Korona“ aufgraviert, so viel ich weiß war das eine österreichische Kaffeemarke. Mittlerweile habe ich auch noch weitere Typen mit dieser Gravur gesehen. Andere Modellautos fanden sich in Haferflockenschachteln, in Seifenpackungen oder als Zugabe zu Margarine. Die französische Serie „Cadum Pax“ ist so ein Zugabeartikel der bekannten Seife.

Panhard Dyna von Cadum Pax

Die Firma Artur Hammer aus Lüdenscheid bekannte sich ganz selbstbewusst dazu, ein führender Hersteller von Zugabeartikeln zu sein. Seit 1954 machte Hammer vor allem als Exporteur in die USA gute Geschäfte. Die Hammer-Groschenautos zeichnen sich durch besonders gute Gestaltung aus, vor allem eine Serie von Busmodellen, bei der ebenfalls Wiking-Ideen aufgegriffen wurden. 

Opel Kapitän (1958) und BMW 507, typische Pkw von Hammer, sogar mit Verglasung.

Auch die Firma NP (Norddeutsche Plastik) stellte Groschenautos her, die aber wie die Manurba-Modelle sehr einfach gestaltet waren (Abb. siehe weiter oben).

Aus Berlin-Lichterfelde, also aus der unmittelbaren Nachbarschaft der Firma Wiking, stammten die Modelle der Panplastik, die in unserem Maßstab einen bemerkenswerten Büssing Doppelstockbus herstellte. Dieser Bus ist für mich ein Unikum, er zeigt exemplarisch, wie man ein preiswertes Modell mit einfachsten Mitteln herstellen kann, ohne auf Detailgenauigkeit zu verzichten. Eine bemerkenswerte Leistung des Formenbauers! Der Trick liegt darin, dass die Karosserie aus zwei Teilen besteht, und zwar aus linker und rechter Seite. Die Trennung ergibt also eine Längsfuge von vorn bis hinten, was nicht auffällt, weil man damals geteilte Frontscheiben hatte. Während bei Wiking zahlreiche Einzelteile für die Inneneinrichtung extra angefertigt werden mussten, ist hier die Inneneinrichtung Bestandteil der Karosserieform. Einfach aber wirkungsvoll.

Doppeldecker von PAN, als Souvenir verkauft

Weitere namhafte deutsche Hersteller von Groschenautos waren Jean Höfler, Hermann Wader, Koch & Hofmockel und Dom Plastik. Aus Italien kamen eine Unzahl von Groschenautos, namentlich seien hier Sam Toys, DLM/APS und Ingap erwähnt. In Frankreich gab es nicht nur Cadum Pax, sondern auch Clé und andere. Eine Besonderheit stellten die preiswerten Ladegutmodelle von Jouef dar, die ich trotz ihrer Einfachheit für sehr gelungen halte und gern sammle.

In Spanien führte Eko die Herstellung der ausgezeichneten Anguplas-Serie weiter. Leider fielen der Massenproduktion in billigem Kunststoffmaterial viele Feinheiten der Anguplas-Modelle zum Opfer. Eko fertigte enorme Stückzahlen, obwohl die Formen immer verschleißanfälliger wurden.

Aus Polen stammt ein relativ breites Sortiment einfachster Groschenautos, die aus nur zwei Teilen zusammengesetzt sind. Die Efka-Modelle haben eine Karosserie mit durchbrochenen Fenstern und eine Bodenplatte mit angespritzten Rädern. Ihr Reiz liegt in der bei einfachster Machart guten Gestaltung.

Sogar in den USA wurden Groschenautos in H0 produziert und als Füllartikel genutzt, beispielsweise die Weichplastik-Autos von MPC, deutlich größer waren die Füllartikel von F & F, die Frühstücksflocken-Packungen beilagen.

Die Zeit arbeitete aber auch gegen die Groschenautos aus Kunststoff, zumindest was deren Produktion in Europa oder in den USA anging. Sehr bald wurde Hongkong zum Inbegriff der Herstellung von Billigspielzeug. Dafür gab es mehrere Gründe. Erstens wurde der Formenbau in Europa oder in den Vereinigten Staaten immer teurer, so dass selbst hohe Stückzahlen diese Kosten nicht mehr hereinbrachten. Auch die Montage der Einzelteile der Modellautos wurde zu teuer. Andererseits brach der Markt für Groschenspielzeug in Europa und Amerika zusammen. Zugabeartikel waren nicht mehr zeitgemäß und die Kaufkraft der Kinder war mittlerweile so groß, dass man sich qualitativ besseres Spielzeug leisten konnte.

Einige Jahre lang wanderten die alten Formwerkzeuge für Groschenautos noch von Hersteller zu Hersteller, wodurch die Geschichte dieser Gattung nicht ganz einfach nachzuvollziehen ist. Aber mittlerweile scheint es nur noch Restbestände zu geben, die in altmodischen Kaugummigautomaten ein kümmerliches Dasein fristen.

KOHO Groschenautos waren von einfachster Machart. Man vergleiche den gelben BMW 507 mit dem gleichen Typ von Hammer. Im linken hinteren Kotflügel erkennt man eine Einfallsstelle im Kunststoff. Das Modell hätte nicht durch die Qualitätskontrolle schlüpfen dürfen.

Einzig und allein der Süßwarenfirma Ferrero ist es zu verdanken, dass es auch über die Jahrtausendwende hinaus noch Groschenautos im Maßstab 1:87 gibt. In den Kinder-Überraschungseiern sind Penny Toys neu geboren worden. Ferrero bezieht aus Hongkong, heute wahrscheinlich direkt aus China, große Mengen niedlich gemachter Steckmodelle aus Weichplastik. Praktisch jedes Jahr taucht eine neue Serie auf, meistens zwischen vier und acht Modellautos gehören dazu, manchmal erstaunlich gut graviert und geschickt stilisiert. Ferrero möchte auf keinen Fall Lizenzgebühren an die Hersteller der großen Vorbilder zahlen, daher wird ein Ferrari niemals als Ferrari bezeichnet, sondern beispielsweise als GTO. Ein Cadillac Eldorado heißt dann eben „Marilyn´s Dream Car“, aus einem Toyota RAV 4 wird ein „Free Wheeler“.

Eines der besten Modelle aus Überraschungseiern ist dieser Bugatti T 57

Angesichts der gewaltigen Stückzahlen findet man auf jedem Flohmarkt genügend Ü-Ei-Modellautos, so dass die Dinger wohl niemals einen annehmbaren Sammelwert erhalten werden. Ich sammele sie trotzdem, einfach weil die Stilisierung oft so gelungen ist. Obwohl das Weichplastikding nur aus wenigen Teilen besteht, kann jeder sofort erkennen, was gemeint ist.

Bierkasten-Zugaben

Ein vollkommen neues Thema kam Mitte der 1990er Jahre mit den Bierkasten-Modellen auf. Der Wettbewerb auf dem Biermarkt hatte sich so verschärft, dass sich die Werbestrategen neue Wege ausdenken mussten, um neue Kunden zu gewinnen oder alte zu halten. Weil der Bierkonsum nicht mehr anstieg, mussten Marktanteile von der Konkurrenz geholt werden. Der eigentlich "alte Hut" der Zugabeartikel wurde wiederentdeckt, so dass an vielen Bierkästen nun kleine Lockvögel hängen. Die meisten interessieren mich ziemlich wenig, handelt es sich doch zum Beispiel um billige Pressglas-Bierhumpen, Flaschenöffner und anderen Kram.

Als dann aber das erste Bierkasten-Modellauto als Zugabe angeboten wurde, musste ich leider meine Biermarke wechseln. Das war eine Geschmacksverirrung. Nicht nur in Bezug auf den Biergeschmack, denn ich kehrte sofort wieder zu meinem Lieblingsbier zurück und tauschte den Kasten mit dem Nachbarn. Nein, auch der Bier-Truck, der da als Zugabe angeboten wurde, war ziemlich furchtbar. Was will man aber auch erwarten?

Die Werbefirma Hümmer, die die Modelle aus Fernost besorgte, gab sich aber bald mehr Mühe, weil die Konkurrenz von Dorfner und Grell nachzog. Das belebte nicht nur das Geschäft, wodurch die Vielfalt der angebotenen Modelle rasch anwuchs, vielleicht sogar zu rasch, auch die Qualität der Truckmodelle und der Bedruckungen verbesserte sich zusehends. Die meisten der Modelle sind ziemlich freche Kopien von Herpa-Modellen oder anderen, aber es sind auch einige interessante Eigenentwicklungen dabei. So zum Beispiel ein Kraz, den die Brauerei Sailer für ihr Altenmünster Bier im Original als Promotion-Fahrzeug einsetzt. 

Die Börsianer-Profis bemächtigten sich schnellstens dieses Booms und boten haufenweise der neuen Massenkundschaft Futter an. Ganze Tapeziertische auf Sammlerbörsen waren zeitweise mit Bierkasten-Modellen zugepflastert, manchmal wurden saftige Preise verlangt und einen Sammlerkatalog gab es bald auch. Vor allem in den Neuen Bundesländern ist daraus eine aktive Sammlergemeinde entstanden.

Bierkastenmodell in Blisterpackung

Zähneknirschend sehen es die großen Hersteller, wie ihnen ein Teil ihres früher so sicheren Werbegeschäftes entgeht. Preislich können sie mit den chinesischen Billigheimern nicht konkurrieren. Die neuen Sammler sehen überhaupt nicht ein, warum sie für ein Qualitätsprodukt 25 Euro zahlen sollen, wenn sie einen Biertruck auch für 5 haben können, der fast genauso aussieht. Die Qualitätsunterschiede interessieren diese Klientel weniger. Der Neusammler hat eben noch wenig Ahnung. Vielleicht wird sich das ja mal ändern.

Auf die Erfüllung dieses Wunsches wollen einige große Hersteller jedoch nicht warten. Sie möchten sich schon heute ein Stück von dem großen Kuchen abschneiden. Sie sagen sich zu Recht: Was die Werbefirmen können, das können wir schon lange. Sie lassen daher ebenfalls in China produzieren und heizen nun mit ihrem Billigsortiment den Biertrucks kräftig ein. Schuco bietet dabei nicht nur Lkw-Modelle an, sondern hat das Sortiment mit preisgünstigen Pkws nach unten abgerundet. Schuco setzt bei der Distribution auf den Fachhandel. SIKU ist auch im Rennen, die 1:87er ergänzen in den Kaufhäusern das schon vorhandene Sortiment an Metallmodellen größerer Maßstäbe.

Inzwischen ist die inflationäre Entwicklung bei den Bierkasten-Zugaben längst wieder abgeklungen. Es war einfach zu viel von diesem Kram auf dem Markt. Lediglich einige qualitativ bessere Exemplare lohnen das Sammeln, beispielsweise die O-Busse nach Solinger Vorbild, die vom Rasierklingen-Hersteller Wilkinson bei Grell in Auftrag gegeben worden waren. 

Was den Lkw recht ist, soll auch den Pkw billig sein. So dachte man wohl bei Herpa, als man die Magic-Serie aus der Taufe hob. Diese sehr preiswerten Modelle waren 2004 auf der Nürnberger Messe noch ein Flop, aber nach erheblicher Nachbesserung wurden sie dann im Handel zum Renner. Die Magic-Modelle wurden immer im Doppelpack angeboten, aber das war absolut kein Nachteil. Die Vorbilder aus den 1950er und 1960er Jahren sind meiner Ansicht nach gut getroffen und schließen manche Lücke im H0-Angebot. Inzwischen hat Herpa die Magic-Serie eingestellt und die Modelle ins normale Sortiment übernommen. Da stimmt zweierlei nicht. Erstens passt die bescheidene Qualität nicht zum übrigen Sortiment, zweitens bezahlt man nun für ein Modell mehr als früher für zwei. Und zwar Euro, keine Groschen.