11 Epoche

Als Modellautos noch Verkehrsmodelle oder Spielzeug waren, wurden sie ausschließlich nach zeitgenössischen Vorbildern gestaltet. Dies änderte sich erst später, als unsere Gesellschaft von einer "Nostalgiewelle" erfasst wurde.

Die Modelleisenbahner wollten auf ihren Anlagen die "gute alte Zeit" darstellen, wobei die 1950er Jahre zunächst besonders beliebt waren. Hier brauchte man nur auf die alten Wiking-Modelle aus dieser Epoche zurückzugreifen. Da diese mittlerweile bei Sammlern hohen Stellenwert hatten und damit besonders teuer waren, kamen nicht wenige Hersteller auf die Idee, neue Modelle nach Vorbildern der 1950er Jahre zu produzieren. Der technische Fortschritt verhilft uns auf diese Weise zu besonders schönen Modellen und die tollen Bedruckungen z.B. eines VW Transporters oder Opel Blitz machen sie zu Schmuckstücken jeder Eisenbahnanlage.

Brekina Borgward B 1500

Bei Anguplas in Spanien hatte man indessen schon viel früher Modelle angeboten, die den autophilen Sammler besonders ansprachen. Dort konnte man bereits in den 1960er Jahren Modelle nach Oldtimervorbildern bekommen, z.B. Hispano-Suiza 1905, Le Zebre 1907, Orix Taxi 1907, Ford T 1916. Diese Modelle lebten später noch einmal als Serie "Alt Berlin" auf, produziert von Eko und vertrieben von Model International. Eine Veteranenserie dieser Art ist bisher leider ohne Parallele geblieben. 

A pro pos Veteranen. Hier gibt es eine verbindliche Sprachregelung bei den Oldtimerfreunden, nämlich die Kategorien, die zuletzt 2004 durch den internationalen Dachverband FIVA (Federation Internationale des Voitures Anciennes) beschlossen wurde:

Class A (Ancetres)            Baujahr bis Ende 1904

Class B (Veteranes)          Baujahr 1905 bis 1918

Class C (Vintage)              Baujahr 1919 bis 1930

Class D (Post Vintage)     Baujahr 1931 bis 1945

Class E (Post War)            Baujahr 1946 bis 1960

Class F                                Baujahr 1961 bis 1970

 

Modellautos im Maßstab 1:87 eignen sich nicht unbedingt zur Darstellung gerade der ältesten Modellvorbilder. Man muss dann sehr grazile Teile des Rahmens, zierliche Kotflügel und durchbrochene Speichenräder darstellen, außerdem ist der Aufwand der Inneneinrichtung für die meist offenen Modelle hoch. Vielleicht noch wichtiger: Zeitgenössische Modelle gibt es in zahlreichen Karosserievarianten, den Golf III z.B. als zwei- oder viertürige Limousine, Kombi und Cabrio, außerdem werden Polizei- und Feuerwehrversionen gefertigt. Die Grundbestandteile werden nur variiert, was Kosten reduziert. Leider sind Oldtimer fast immer Einzelstücke. Sie haben lediglich den Vorteil, zeitlos zu sein, man kann sie also lange produzieren. 

Schon Ende der 1960er Jahre erwachte auch in Deutschland das Interesse an Oldtimern und wuchs dann mit wachsender Kaufkraft zur Lawine an. Die Hersteller von Modellautos stiegen natürlich in das Geschäft ein. Ein gutes Beispiel ist die Serie "Models of Yesteryear" von Matchbox, die zu einem riesigen Erfolg wurde. Leider sind die Metallmodelle nicht unser Maßstab. Der Normalsammler musste lange warten, bis Wiking seine "Klassiker" herausgab: Mercedes 260 D und 540 K sowie den Opel Blitz (1973), Horch 850 und Mercedes L 10000 (1974), BMW 328 und Mercedes L 2500 (1975). Die lange Produktionszeit weist sie als Dauerbrenner im Sortiment aus. Leider ist die Bezeichnung "Klassiker" sehr unscharf. In den USA versteht man darunter die Epoche zwischen 1925 und 1942, aber in Europa ist diese Definition des "Classic Car Club of America" nicht üblich. Klassische Automobile, der Begriff stammt von lateinisch "classicus" und meint heute ein hochwertiges Automobil, definiert jeder Autor nach seinem persönlichen Geschmack und das bringt uns hier nicht weiter. 

Also der Reihe nach:

Aus der Epoche Ancetres (Ahnen) gibt es in 1:87 wenig. Es wird ausgesprochen schwierig sein, an die Modelle von Charbens (Ende der 1950er Jahre hergestellt), AHI oder Harbutts Replicars (beide aus den 1960er Jahren) heranzukommen. Zur Zeit sind nur Einzelstücke wie der Oldsmobile „Curved Dash“ von 1904 (Jordan), der Merdedes 60 HP Rennwagen von 1903 (Bohemia) oder der Mercedes Simplex von 1904 (Marks) zu bekommen. Im Jahr 2002 erschien dann überraschend eine H0-Nachbildung des ersten Automobils überhaupt, des Benz-Patent-Motorwagen von 1886. Busch hat die schwierige Aufgabe auf bemerkenswerte Weise gelöst!

Bohemia Modell (Ancetres Epoche)

 

Die Veteranen (altgediente Soldaten) sind dagegen schon recht gut im H0-Maßstab vertreten: Anguplas, wie gesagt, dann auch Marks, Märklin mit Lkw-Veteranen, K+R mit einer Bugatti-Serie, sehr selten wiederum sind Modelle dieser Epoche der Hersteller Harbutts Replicars, Minialuxe und Charbens. Nett finde ich die Veteranen aus den Ü-Eiern von Ferrero, aber sie sind natürlich stark stilisiert.

  

Lkw Veteran von Märklin

Weniger gut ist es um die Vintage Epoche (Spätlese) bestellt. Es gibt überwiegend Einzelexemplare der verschiedensten Hersteller, lediglich Scale Link (Piccolino bot die gleichen Modelle an), Bohemia, K+R (nur Bugatti) oder Roskopf haben kleine Serien anzubieten.

  

Roskopf Modell der Vintage Epoche

Die Post Vintage Epoche wird dagegen von vielen Herstellern bevorzugt, Wiking haben wir schon erwähnt. Brekina begann 1980 mit Modellen aus dieser Zeit.

  

Brekina Modelle nach Post Vintage Vorbildern

Modelle der 1940er und 1950er Jahre (Post War Epoche) sind recht gut vertreten, von Wiking natürlich, aber auch vom heutigen Spezialisten für diese Zeit, Brekina. Später kamen noch die hervorragenden Modelle von Epoche (nomen est omen) hinzu. Wer französische Vorbilder sucht, findet bei Norev, Cadum Pax und Jouef ein ganzes Sortiment, hauptsächlich Pkw. Sehr schöne Metallmodelle nach Vorbildern deutscher Lkw hat Weinert auf die Räder gestellt. Viele Kleinserienhersteller widmeten sich natürlich dieser Epoche. Oestmann bot eine Serie niedlicher Kleinwagen an. IMU hatte dagegen nur den Messerschmitt Kabinenroller, die Isetta und das Goggomobil im Programm, dafür aber als Kunststoff-Fertigmodelle für Jedermann.

  

Modelle aus den 1950er Jahren sind die wahrscheinlich beliebteste Kategorie unter allen Epochen. 

Obwohl es mittlerweile viele Messerschmitt-Nachbildungen gibt, war dies eine der besten. 

Das Oestmann-Modell besteht aus klarem Kunstharz, die Räder drehen sich nicht. 

Leider kann man anhand des Fotos nicht einschätzen, wie winzig das kleine Schmuckstück ist.

 

Modelle der Epoche "Class F" (1961 bis 1970) sind bei so vielen Herstellern zu finden, dass ich sie hier nicht unbedingt aufzählen muss. Nur so viel, Wiking bietet sebstverständlich ein ganz breites Sortiment an, das dieser Epoche zugeordnet werden kann, und zwar nicht nur Pkw, sondern auch Lkw, Traktoren und andere Nutzfahrzeuge. Auch Brekina beackert schon seit langem dieses Feld, und man muss sagen, beide Hersteller sind damit sehr erfolgreich. Deshalb zogen weitere Hersteller nach, sogar Herpa, allerdings noch etwas zögerlich. Für Kleinserienhersteller bleiben also noch genügend Lücken. 

Eine etwas andere Einteilung in Epochen gibt es bei der Modellbahn, darauf möchte ich zumindest hinweisen, weil unser Maßstab 1:87 ja ganz eng mit der Modellbahn Spur H0 verbunden ist.  Die Modellbahner ihrerseits entwickelten bereits in den 1960er Jahren Normen, die international Geltung haben sollten. In den "Normen Europäischer Modellbahnen", kurz NEM, wurden damals Epochen festgeschrieben und später erweiterte man die Liste noch:

Epoche I        : bis 1920

Epoche II        : 1920 bis 1945

Epoche III        : 1945 bis 1968

Epoche IV        : 1968 bis 1990

Epoche V        : 1990 bis 2006

Epoche VI        : ab 2007

Der Epochensammler muss sich daher entscheiden, welcher Einteilung er den Vorzug gibt.