10 Bauprinzipien 

Schlachten wir doch mal ´nen Audi !

Schauen wir uns einmal ein Standardmodellauto der 1990er Jahre an, um uns darüber klar zu werden, nach welchen Prinzipien heute gearbeitet wird. Als Beispiel habe ich ein Modell von Rietze ausgewählt, also von einem "ganz normalen" Hersteller. Es handelt sich um den Ende 1995 erschienenen Audi A 4 Avant. Übrigens erschien das Vorbild erst im Februar 1996, und das sagt schon einiges über die heutigen Produktionsgewohnheiten.

Vorsichtig biege ich die Karosserie an der Unterkante auseinander, dort wo sie auf der Bodenplatte aufsitzt. Ebenso vorsichtig ziehe ich nun, als sich ein kleiner Spalt ergibt, die Karosserie nach hinten oben ab, damit ich sie über das Nummernschild hinwegheben kann, welches Bestandteil der Bodenplatte ist und in die Karosserie einrastet. Nun kann ich die Karosserie vollständig abnehmen. Mit dem Fingernagel lässt sich der Verglasungseinsatz heraushebeln. Auch die Scheinwerfer und Rücklichter lassen sich nun abziehen. Sehr behutsam trenne ich nun die Inneneinrichtung von der Bodenplatte. Die Inneneinrichtung ist auf zwei hervorstehende Zapfen der Bodenplatte aufgesteckt. Nun fallen die Achsen mit den Rädern aus den Halterungen. 

Zählen wir zunächst die Einzelteile: Karosserie, 2 Scheinwerfer, 2 Rücklichter, Verglasung, Bodenplatte, Inneneinrichtung, 2 Achsen, 4 Felgen, 4 Reifen. Ergibt die beeindruckende Zahl von 18 einzelnen Teilen. 

Die meisten Teile bestehen aus gespritztem Polystyrol. Zwei aus schwarzem Granulat, eines aus grünem, drei aus transparentem, zwei aus transparentrotem, vier aus alufarbenem. Hinzu kommen die Achsen aus Stahl und die Reifen aus Gummi. 

Für mich ist es einfach kaum zu glauben, wie gut die einzelnen Teile passen. Die Scheinwerfereinsätze und Rücklichter zum Beispiel und die Verglasung. Als ich, nebenbei bemerkt, die Rücklichter und Scheinwerfer wiedereinsetzen wollte, wurde das zum Geduldsspiel. Wie machen die das eigentlich bei der Montage?

Schauen wir uns nun die einzelnen Teile genauer an, wobei wir mit dem wichtigsten Teil, der Karosserie, beginnen. 

Perfekt nach dem Vorbild gestaltete Karosserien sind heute nahezu selbstverständlich. Bei diesem Modell fallen mir die vielen komplizierten Durchbrüche auf, für die Scheiben, den Grill, darunter weitere drei Kühlluftschächte, der Durchbruch für das Nummernschild (Bestandteil der Bodenplatte) und noch die Durchbrüche für die Dachreling. Seitenspiegel sind angespritzt, ebenso Scheibenwischer und Heckwischer. 

Nun zu den Gravuren. Alle Trennfugen für Hauben und Türen sind deutlich und sauber graviert. Zwei Spritzdüsen auf der Haube fehlen nicht. Seitlich sind das Audi-Emblem vor den Vordertüren sowie die Türgriffe zu erkennen. Auf der Heckklappe prangen die vier Ringe der Auto Union. Selbst der Knopf für die Heckklappe ist vorhanden. Mit der Lupe suche ich vergeblich nach Spuren, die gewöhnlich die Trennfugen der Stahlformteile hinterlassen. Die hochglänzende Oberfläche der Karosserie weist darauf hin, dass die Stahlform hervorragend poliert wurde. Bis hierher also einfach ein Meisterwerk des Formenbaus! Einziger Kritikpunkt: ich hätte mir gewünscht, dass B- und C-Säule Bestandteil der Karosserieform wären, statt dessen hat man den Glaseinsatz schwarz bedruckt, um die Säulen zu simulieren.

Der Glaseinsatz selbst ist ein perfektes Teil. Er ist so passgenau, dass er ohne Klebstoff im Karosseriespritzling haftet. Die Scheibenflächen sind fast schlierenfrei. In die Frontscheibe ist der Rückspiegel, in die Heckscheibe die Scheibenheizung graviert. Beim Wiedereinbau rastet der Glaseinsatz mit der Unterkante der Seitenscheiben in das Karosserieteil ein.

Faszinierend ist auch die Bodenplatte. Die gute Gravur des Unterbodens des A 4 Avant nimmt man schon als selbstverständlich hin. Limousine und Avant verfügen bei Rietze jedoch sogar über verschiedene Bodenplatten, wobei mir die Gravur der Avant-Bodenplatte einen Tick besser gefällt. Vorne befindet sich der Grill, der noch extra verchromt wurde. Er musste so gestaltet werden, dass er haargenau in die Aussparung der Karosserie passt. Und er passt wirklich hervorragend, ebenso das hintere Nummernschild. Zwei schmale rechteckige Nuten dienen der Aufnahme der Stahlachsen. Schließlich sind noch zwei grazile Zapfen vorhanden, die in die Löcher der Inneneinrichtung gesteckt werden. Übrigens weist die Bodenplatte auf der Oberseite 9 kreisrunde Flächen auf, diese rühren von den Auswerfern her, die das Spritzteil aus der Form stoßen.

Die Inneneinrichtung zeigt, was heute technisch möglich ist. Selbst im Maßstab 1:87 braucht man nicht mehr auf eine vorbildgerechte Inneneinrichtung zu verzichten. Das Armaturenbrett wurde annähernd so gestaltet, wie es im A 4 wirklich vorhanden ist. Das Handschuhfach ist deutlich zu erkennen, ebenso die verschiedenen Luftausströmer, der Handbremshebel,  ja selbst der Schalthebel ist vorhanden, es handelt sich dabei um einen der beiden Zapfen der Bodenplatte. Die gut ausgeformten Sitze verfügen über Kopfstützen und eine Faltjalousie verwehrt den Einblick in den Laderaum dieses Kombiwagens. Der Clou ist jedoch das Lenkrad. Obwohl es Bestandteil der Form ist, ist es grazil und vorbildnah. Es hängt mit dem oberen Teil des Kranzes am Armaturenbrett, aber das sieht man kaum.

Legt man nun die Achsen in die Nuten der Bodenplatte und steckt die Inneneinrichtung vorsichtig wieder auf, so rollen die Räder wieder ganz phantastisch auf ihren dicken Gummiwalzen. Die Felgen sind ein Gedicht! Sie haben durchbrochene, nicht nur angedeutete Löcher, in denen sogar die Bremsscheiben zu erkennen sind. Übrigens wurden für den Avant andere Felgen als für die Limousine entwickelt, das wird Umbauer sicher besonders freuen.

Sie merken mir meine Begeisterung über dieses schöne Modell sicher an. So ein Pkw-Modell kostete allerdings damals schon mehr als 10 DM im Laden. Das war kein Billigangebot, aber ich finde, es war seinen Preis wert. Heute, im Jahr 2011, zahlt man für ein Modell dieses Qualitätsstandards um die 10 Euro! 

Sich regen bringt Segen !

Nun wissen sie ja, dass es noch viel tollere Sachen gegeben hat. Ich darf ihnen ein paar Glanzstücke aufzeigen:

Bei Baumaschinen oder Lkw-Modellen waren bewegliche Teile schon seit Jahrzehnten eine nette Zugabe vieler Modellautohersteller, aber die winzigen Pkw-Modelle schienen sich dafür nicht zu eignen. Deshalb werteten die Sammler es als eine Sensation, als Herpa 1986 das Modell eines Ferrari Testarossa mit beweglicher Motorhaube anbot. Das war wirklich, wie der Name der neuen Serie sagte, "High Tech"! Die Haube (für den Mittelmotor) konnte man öffnen und den darunter liegenden Motor bewundern. Die Haube passte perfekt, die Mechanik funktionierte hervorragend. Es war ein Traum.

Danach erschienen bei Herpa weitere "High Tech" Wunderwerke mit beweglichen Teilen: 

1987 Porsche 959 (Motorhaube)

1989 BMW 750 iL (Motorhaube)

1989 Ferrari F 40 (Motorhaube und Kofferraumhaube)

1990 Audi Quattro (Motorhaube)

1990 Ferrari 348 tb (Motorhaube)

1990 Mercedes-Benz 500 SL (Motorhaube, Hardtop, Überrollbügel)

1992 Ferrari 348 ts (Motorhaube)

1992 Lamborghini Diablo (Motorhaube)

1994 Ferrari 512 TR (Motorhaube)

 

Das ließ natürlich die Konkurrenz nicht ruhen. Rietze, damals noch ein ziemlich unbedeutender Hersteller, brachte 1988 (!) den Honda Accord Aerodeck mit beweglicher Heckklappe heraus.

Etwa 1989 kam der VW Bus (T 3) von Roco, ebenfalls mit beweglicher Heckklappe. Selbst die Firma Miber stattete 1992 den Lamborghini Diablo mit einer beweglichen Motorhaube aus.

 

Bei Wiking dauerte es etwas länger, bis man sich dem Trend zu beweglichen Teilen bei Pkw-Modellen anschloss:

1990 Mercedes-Benz 250 D KTW Binz (Heckklappe)

1990 Porsche Carrera 4 (Heckspoiler)

1991 Mercedes-Benz 300 SL Roadster (Motorhaube)

1992 Mercedes-Benz 500 SL (Überrollbügel)

1994 BMW 507 (Motorhaube)

1994 Mercedes-Benz 300 SL Coupe (Motorhaube und beide Flügeltüren!)

1995 Jaguar E-Type (Motorhaube)

Was bei Wiking gemacht wurde, wurde perfekt gemacht. Eine Sensation waren sicherlich die beweglichen Flügeltüren des MB 300 SL. Auch die Motorhaube des Jaguar E-Type so hinzubekommen, nötigt höchsten Respekt ab.

Bewegliche Türen hatte es jedoch vorher schon gegeben, allerdings bei einem Lkw-Modell. Der Außenseiter B+S stellte eine hervorragende MB-Sattelzugmaschine vor, die neben den beweglichen Türen noch weitere Sensationen bot, z.B. Lochfelgen und ein realistisch kippbares Fahrerhaus. Hier kippte nämlich erstmals bei einem Lkw-Modell nur der Teil des Fahrerhauses, der auch beim Vorbild kippt, Stoßstange und Scheinwerferblende bleiben in ihrer Stellung.

Das erste kippbare Fahrerhaus stammt übrigens von Wiking, beim MAN 19.230 wurde es verwirklicht, ich bin nicht ganz sicher ob es erst 1971 war oder früher. Nicht viel später gab es ein weiteres kippbares Fahrerhaus von Espewe, 1973 beim Volvo F 88 Hängerzug. Bei diesem Modell wurde eine weitere Pioniertat verwirklicht, man konnte die hintere Zwillingsachse bei Bedarf hochziehen!

Wenn wir nun noch weiter zurückblenden in die Historie der H0-Modellautos, dann werden wir erkennen, dass bewegliche Teile schon sozusagen "seit ewigen Zeiten" verwirklicht wurden. Ich kann mich jedenfalls noch deutlich erinnern, dass meine Roskopf und Roco Militärmodelle in den 1960er Jahren schon ziemlich flexibel waren: Panzertürme, MGs und die Heckklappe des M 113 zum Beispiel ließen sich beim Spielen bewegen.

 

Zurück in die Zeit der 1990er Jahre: 

Die ersten lenkbaren Vorderräder an einem Lkw bot in Serie die Firma Herpa, und zwar 1981 bei einer Fiat Sattelzugmaschine. Vorher hatte es schon Umbausätze von Kleinserienherstellern gegeben. Bei Pkw Modellen gibt es bis heute nur ein Modell, das lenkbare Vorderräder vorzeigen kann, ausgerechnet der Lada Nova 2501 von s.e.s, erschienen im Jahre 1993.

1996 erschien bei Busch der Citroen DS 19 mit verstellbarer Federung, eine Idee, die gut zu der "schwebenden Göttin" passt. 

2001 überraschte der Hongkong-Hersteller Trumpeter mit einem Honda NSX, dessen Klappscheinwerfer ausgefahren werden können.

Wir bemerken, dass bewegliche Teile zwar mittlerweile von mehreren Herstellern angeboten werden, auf Grund des hohen technischen Aufwandes jedoch, vor allem bei Pkw, die Ausnahme geblieben sind, ja, man muss leider sagen, dass es nur noch selten solche Schmankerl gibt. Der 2011 erschienene Porsche Junior Traktor, ein winziges Exemplar, hat mal wieder eine hochklappbare Haube. 

Nächstes Opfer: Seddon Atkinson

Nachdem wir vorhin ein Pkw-Modell auseinandergenommen haben, wollen wir dieses Mal einem Lkw zu Leibe rücken. Auch hier handelt es sich zufällig um ein Rietze-Modell, den gut gelungenen Seddon-Atkinson. 

Nun werden sie fragen, warum es ausgerechnet dieser seltene Typ aus England ist, den Rietze produziert hat. Die Antwort ist einfach. Rietze hatte schon den Iveco Euro Star im Sortiment. In England wird er als Seddon-Atkinson angeboten, wobei lediglich der Kühlergrill vom Iveco abweicht.

Das Modell der Sattelzugmaschine fällt auf Grund der konsequenten Steckbauweise praktisch fast von allein auseinander. Zwei schwarze Spritzlinge bilden das Fahrwerk mit den üblichen beiden Längstraversen nach. Mir gefällt der matte braunrote Farbton des „echten“ Iveco Modells noch besser, weil er genau so bei vielen Lkw-Fahrgestellen vorhanden ist. Hier, beim Seddon-Atkinson ist der Leiterrahmen schwarz "lackiert".

Der untere Teil enthält Motor- und Getriebeblock, Kardanwelle und Verteilergetriebe, den Schalldämpfer sowie die hinteren Blattfedern, vorn befinden sich Ausleger, die dafür vorbereitet sind, eine lenkbare Vorderachse aufzunehmen. An diesem Spritzling befindet sich auch das Reserverad, sowie die verchromten Luftbehälter. Zwischen den beiden Fahrgestell-Spritzlingen liegen die Achsen in rechteckigen Führungen. 

Der obere Spritzling beinhaltet die vorderen Blattfedern, auch hier sind wieder die Aufnahmen für eine nachrüstbare Lenkachse vorhanden, seitlich ragen die Halterungen für den Kraftstoffbehälter und den Luftfilter heraus. Oben ist die Sattelplattenaufnahme aufgeklemmt, die die bewegliche Sattelplatte hält. Aus schwarzem Kunststoff bestehen die hinteren Kotflügel, die Teile der Luftanlage sowie der untere Teil des Fahrerhauses mit den Schmutzabweisern und der Scheinwerferblende. 

Der eckige Kraftstofftank ist verchromt, während die Trittplatte mit der kurzen Leiter und der Motorblock aus alufarbenem Material bestehen. Scheinwerfer und Rückleuchten sind einzeln eingesetzt. Die Räder sind selbstverständlich zweiteilig, hier findet man durchbrochene alufarbene Felgen und profilierte Gummireifen. 

Um die vorbildgerechte Kippbewegung der Kabine darzustellen, wurde ein schwarzer Spritzling mit entsprechenden Scharnieren als Kabinenboden geschaffen, auf den die Inneneinrichtung aufgesteckt ist. Diese Inneneinrichtung muss man gesehen haben. Sie ist dem Vorbild bis in Einzelheiten nachgebildet, auch die Schlafpritsche hinter den Sitzen ist vorhanden. Die Perfektionisten bei Rietze sind sogar so weit gegangen, die Rechtslenkung darzustellen, obwohl diesen Aufwand nur selten ein Käufer bemerken wird!

Nun erfreut mich die hervorragende Gestaltung des Fahrerhauses ganz besonders. Um die typische Seddon-Atkinson Front darzustellen, wurde für diese Version ein schwarzer Spritzling für den Grill geschaffen und aufgesteckt. In winziger Schrift wurde der Markenname aufgedruckt.

Die Verglasung ist nahezu perfekt, lediglich die aufgedruckten Fensterstege hätten, wie zum Beispiel beim Iveco von Wiking, an die Kabine angespritzt sein können. 

Auf das Dach wird das erhöhte Dachteil einfach aufgesteckt, wobei es in der rechteckigen Öffnung für die Lüftungsklappe Halt findet. Beim normal hohen Fahrerhaus wird hier die Lüftungsklappe montiert. 

Die Fahrerhausrückwand ist sorgfältig graviert, hier befinden sich zwei kleine rechteckige Öffnungen, in die das Kabinenunterteil einrastet. Links hinten wird der "Schnorchel" für den Luftfilter aufgesteckt. Schließlich wird das Modell durch drei beiliegende Spritzlinge für die Seitenspiegel ergänzt. 

Zählen wir auch bei diesem Modell einmal die Einzelteile zusammen: Fahrerhaus, Dachteil, Schnorchel, Verglasung, Grillplatte, 3 Spiegel, Inneneinrichtung, Kabinenboden, zwei Fahrgestellteile, Frontverkleidung, 2 Scheinwerfer, 2 Rückleuchten, Motor, Trittplatte, Turbolader, Luftfilter, Chromtank, Kotflügel, 2 Teile der Sattelplatte, verchromte Luftbehälter, 3 Vorderradfelgen, 2 Hinterradfelgen, 7 Gummireifen, 2 Stahlachsen, das ergibt zusammen immerhin 40 Einzelteile! Und das gilt nur für die Zugmaschine, der Sattelauflieger besteht ja dann auch noch aus zahlreichen Teilen. Ein solches Lkw-Modell, komplett mit Auflieger, kostete damals um die 20 Euro, musste diesen Betrag kosten. 

 

Demnächst bewegen sich die Kolben

Was dürfen wir in der Zukunft von den Herstellern erwarten? Wird man vielleicht versuchen, winzige Details noch besser darzustellen? Kommt etwa das Modell mit funktionierendem Verbrennungsmotor, in dem sich die Kolben wirklichkeitsgetreu auf und ab bewegen?

Für uns Sammler bleiben jedenfalls schon jetzt kaum noch Wünsche offen, nachdem CAD-Methoden bei der Produktion für hervorragende Nachbildung und kurze Entwicklungszeiten gesorgt haben. Für interessanter als einen Blick in die Zukunft halte ich den Blick zurück. Es war schließlich ein langer Weg, bis H0-Modellautos eine derartige Perfektion erreichten. Und wir werden sehen, dass es zunächst ganz primitiv begonnen hat.

 

Rückblick

Ende der 30er Jahre stellte die Firma Karl Bub einige Modellautos aus Zink her, die in etwa zu unserem Maßstab passen. Sie hatten keine konkreten Vorbilder, sondern orientierten sich nur allgemein an zeitgenössischen Pkw. Betrachten wir eines dieser Modelle, ein zweisitziges Sportkabriolett, wie man damals sagte. Die einzelnen Teile sind hier schnell gezählt: Karosserie, 2 Achsen, 4 Räder. Das ist alles. Die Stahlachsen wurden bei diesem Modell durch Löcher in der Karosserie gesteckt und die Enden dann vernietet. Bei der Gravur hat man sich auf nur wenige Zierlinien beschränkt, alle sind erhaben, denn das war einfacher zu bewerkstelligen. Hierzu brachte man nur Vertiefungen in die Form zu fräsen.

Wenig anders stellte Wiking in der Nachkriegszeit seine ersten Modelle her. Im Unterschied zu Karl Bub wählte Friedrich Peltzer für seine Modelle jedoch Kunststoff als Material. Die dünnen Drahtachsen wurden erhitzt und konnten nun in den Kunststoff gedrückt werden. Die Räder wurden dann auf die Achsen gefädelt, dann wurden die Achsenden plattgequetscht. Um Verletzungsgefahren kümmerte sich damals noch niemand.

Drahtachser (links) und Rollachser

Erst ca. 1954 stellte Wiking auf Rollachsen um. Zunächst setzte das eine Bodenplatte voraus. Diese Bodenplatte erhielt Nuten für die Achsen, in der Mitte wurde die Achse vom "Motorblock" bzw. vom "Differential" gehalten. Mühsam war allerdings das Aufstecken der Räder auf die Stahlachsen, dann mussten die Achsen durchgesteckt werden, anschließen wurde das zweite Rad aufgebracht. Die Achsenden waren von außen sichtbar, und das blieb noch Jahrzehnte so. Übrigens hatte die Halterung der Achsen in der Mitte den Vorteil, dass sie nun etwas Spiel an den Rädern hatten, was so ähnlich wirkte wie eine Federung.

Bleibt noch zu erwähnen, dass damals alle Modelle sorgfältig bemalt wurden. Stoßstangen und Scheinwerfer wurden gesilbert, die Nummernschilder gelegentlich weiß, die Rücklichter rot bemalt. Offene Modelle erhielten bemalte Sitze und einzeln eingesetzte Lenkräder, später klebte man Figuren auf die Sitze, die die Lenkräder in den Händen hielten.

Karmann-Ghia von Wiking, verglast und unverglast

Die Gravur der Modelle aus der Drahtachserzeit, also etwa bis Mitte der 1950er Jahre, war noch recht grob. Seit dieser Zeit wurden dann einige Modelle mit besonders gut gravierten Scheibenrahmen, Grills usw. präsentiert, z.B. der Lloyd LP 400, Opel Caravan ´56, MB 180. Zu dieser Zeit begann man in Berlin auch mit der Gravur der Bodenplatten, die zunächst nur stilisiert und dann immer detaillierter vorgenommen wurde. Ein besonders schönes Beispiel bietet der VW Karmann Ghia von 1957.

Auch die Nutzfahrzeuge aus der Ära der unverglasten Modelle waren anfangs recht grob dargestellt, beispielsweise der Drahtachser-Traktor oder die Lkw Dodge, Fiat, Ford und MB. Aber es gab in der Frühzeit der "Wikinger" bereits "High Tech", auch wenn man das damals noch nicht so nannte. 1950 erhielten die Pritschen-Lkw Schlitze im Fahrgestell, in denen man die Pritsche kippen konnte! Einfach, aber wirkungsvoll. Bei der hohen Pritsche gab es als Clou eine bewegliche Heckbordwand. 5 Jahre später erschien der MB L 3500 mit einer Mulde, die per Drahtmechanik gekippt werden konnte. Wir haben ausgiebig damit gespielt, damals. Der Langholzanhänger konnte mittels einer Schiebemechanik verlängert werden. Gern erinnere ich mich auch noch an die Schwingachsen am Dreiachsanhänger, der zum Krupp Titan passte. Der Krupp Titan war übrigens ein Beispiel für den Fortschritt auf dem Gebiet der Gravur. Unvergesslich sind auch der Büssing 8000 Lkw, der formlich eine Besonderheit im Wiking-Sortiment darstellte, sowie der Trambus mit seinem transparenten Dach. Besonders gelungen waren auch die Leiterwagen der Feuerwehr sowie der Henschel Bimot Tanksattelzug. Letzterer hat durchbrochene, aber unverglaste Scheiben, eine Besonderheit unter den Wiking-Modellen!

Büssing Trambus mit transparentem Dach

Was machte um diese Zeit die Konkurrenz?

Auf den folgenden Seiten will ich versuchen, die Eigenschaften einiger früher Modellautomarken darzustellen. Ich will mich auf die Zeit von 1948 bis 1958 beschränken.

Zax aus Bergamo in Italien bot 1948 vier Metallmodelle an, die in der Machart den Modellen von Karl Bub ähnelten. Sie hatten keine konkreten Vorbilder, sondern waren stilisiert.

 

Bei JGES in Theuern (DDR) erschien ab 1948 eine kleine Palette von Bakelitmodellen. Auch die Räder fertigte man aus Bakelit und fädelte sie auf Nylonachsen auf, deren Enden man erhitzte und mit einem Lötkolben zu einem kleinen Knoten verformte. Die unverglasten JGES-Modelle gab es bis mindestens 1957, wahrscheinlich sogar noch bis Anfang der 1960er Jahre.

Lkw-Modell aus Bakelit (JGES)

Bei dem renommierten italienischen Hersteller Mercury erschienen zwischen 1948 und 1952 eine ganze Reihe von Metallmodellen, deren Räder in Wagenfarbe lackiert waren. Es gab sowohl Rennwagen als auch geschlossene Pkw mit durchbrochenen Fenstern.

Pilot Modelle

In enger Zusammenarbeit mit Wiking brachte der Däne Henning Cortsen seine Pilot Serie heraus. Seit 1950 erschienen diese unverglasten Kunststoffmodelle. Als Besonderheit wiesen sie massive Metallräder auf.

In Anlehnung an Wiking offerierte Märklin 1953 einige wenige Kunststoff­Modellautos. Zur besseren Darstellung der Fenster silberte man die Scheiben.

 

Ebenfalls 1953 begann Matchbox mit seiner später überaus erfolgreichen Serie 1-75. Die Zinkdruckguß-Modelle besaßen Bodenplatten aus Metall, durchgesteckte Stahlachsen und Kunststoffräder. Die Achsenden wurden vernietet. Zunächst hatten die Matchbox durchbrochene Fenster, die Verglasung begann Mitte bis Ende der 1950er Jahre.

 

Die Herr KG in Ostberlin kam 1954 mit einem Modell des EMW 340/2 heraus, das neue Maßstäbe setzte. Es wies nicht nur durchbrochene Fenster (unverglast) auf, sondern besaß auch eine angedeutete Inneneinrichtung als Bestandteil der Bodenplatte.

 

Minic stellte in England Modelle vieler verschiedener Maßstäbe her. 1955 erschien eine Reihe von unverglasten 1:70 Kunststoffmodellen, einige davon hatten durchbrochene Fenster.

Im gleichen Jahr begann Roskopf mit Pferdefuhrwerken und Militärmodellen aus Kunststoff.

 

Morestone aus England bot seit 1956 auch einige 1:90 Modelle an, die ganz ähnlich gemacht waren wie die Konkurrenz von Matchbox. Sie hatten durchbrochene Fenster und waren unverglast.

Lego brachte 1956 ein Modell des VW Bulli heraus, aus Kunststoff, unverglast. Von 1958 an folgte dann die bekannte Serie verglaster Lego Modelle, die Metallräder hatten wie schon die dänischen Pilot-Modelle.

 

Norev aus Frankreich begann 1957 mit der Herstellung sehr schöner verglaster Modellautos mit verchromten Bodenplatten. Die Bodenplatten wurden mit der Karosserie thermisch verschweißt. Das verwendeter Kunststoffmaterial Rhodialite war leider extrem lichtempfindlich.

Einige Jahre hindurch beschwerte man die Modelle im Inneren mit einem Metallklotz.

Renault Lieferwagen von Gitanes

Ganz am Stil von Matchbox orientierten sich die Gitanes-Modelle aus Frankreich. Sie waren im Maßstab 1:100 gehalten, hatten Metallräder, Bodenplatten und durchbrochene Fenster. Die Modelle erschienen von 1957 an.

Ebenfalls seit 1957 gab es Metallmodelle mit durchbrochenen Fenstern im M 1:90 von der englischen Marke Benbros. Um die gleiche Zeit erschienen in 1:80 bis 1:100 Metallmodelle von CIJ aus Frankreich. Auch aus dem fernen Neuseeland kamen 1957 Metallmodelle dieser Art, alle im Maßstab 1:86 und von Lincoln Industries.

 

1958 kamen eine ganze Menge neuer Marken hinzu:

Schuco mit der Piccolo-Serie, Modelle aus massivem Metall, zunächst unverglast.

 Rex präsentierte zwei Metallmodelle in 1:80, einen VW Transporter und einen Ford 12 M.

 Der bekannte englische Produzent Charbens kam in diesem Jahr mit einer tollen Oldtimerserie heraus. Die Metallmodelle der "OC-Serie" waren mit Speichenrädern versehen.

 

Aston-Martin und Volkswagen von Jouef

Jouef, Modelleisenbahnhersteller aus Frankreich, begann 1958 eine Serie von Ladegutmodellen aus Kunststoff. Sie waren recht einfach gemacht, hatten Bodenplatten und durchbrochene Fenster. Die Nachbildung war eigentlich recht gut.

Anguplas in Spanien fertigte seit 1958 Kunststoffmodelle, die den Norev-Modellen in der Machart stark ähnelten. Im Laufe der Jahre gab es hochinteressante Modelle nach zeitgenössischen Vorbildern, aber später auch einige Oldtimer.

Comando, ebenfalls aus Spanien, offerierte drei Versionen eines 1957er Rambler in 1:80. Die Modelle waren aus Kunststoff.

Von Cadum Pax (Reklamemodelle für eine französische Seifenmarke) gab es eine Serie von Kunststoff-Fertigmodellen im Maßstab 1:87 (später 1:80) nach französischen und italienischen Vorbildern, wobei es sich ausschließlich um Pkw handelte. Die erste Serie ist unverglast, die zweite hat durchbrochene Fenster. 

Der italienische Hersteller DLM/APS stellte ca. 50 verschieden Pkw-Modelle aus Kunststoff her, alle unverglast und ziemlich grob gestaltet.

Aus Metall und ganz ähnlich wie Matchbox waren die Dinky Toys aus England.

Streamlux aus Melbourne in Australien bot seit 1958 Metallfertigmodelle in 1:90 an.

Jaguar und Metropolitan von Ingap

Ingap aus Italien hatte Kunststoffmodelle ziemlich einfacher Machart im Programm, mit durchbrochenen Fenstern, ohne Bodenplatte. 

Ziehen wir eine Bilanz dieser zehn frühen Jahre, so wird deutlich, dass die Materialfrage Metall oder Kunststoff noch nicht eindeutig entschieden ist. Dieser Zeitraum wird auch bestimmt vom allmählichen Übergang von unverglasten zu verglasten Modellen. Erstaunlich ist die Vielzahl von Herstellern, die Modelle mit durchbrochenen Fenstern anbieten.

 

Für die Jahre bis 1970 möchte ich lediglich die Marken nennen, die auf dem Sektor 1:87 neu hinzukamen:

 

1959

Midget Cars, Samtoys, Pocher

1960

AHI, Budgie (ex Morestone), Hoffmann, Roco, Jean Hoefler, Tropica, Sanwa

1961

Tootsietoys, Rivarossi, Revell, Midgetoys, Isat

1962

Best Box

1963

Fun Ho!, Minix, Marx

1964

Roadace Replica, PRB, Ingap (verglaste Serie), Husky

1965

Koho

1966

Impy

1967

Harbutts Replicars

1968

Aurora, Minialuxe, Barclay

1970

Corgi Juniors (Corgi Rockets)

 

 

10.1 Entwicklung einzelner Bauteile

 

Karosserie

In der unmittelbaren Nachkriegszeit war es aus mehreren Gründen nur möglich, Modellautos in einfachster Weise herzustellen. Erstens war die Technik des Spritzgiessverfahrens noch nicht besonders entwickelt, zweitens erlaubten weder die Kapitalausstattung der Hersteller noch die Kaufkraft der Kunden besonders ausgefeilte Modellautos.

Wir Nachkriegskinder waren ohnehin dankbar für jedes Spielzeug, das auch nur annähernd nach Auto aussah, den Rest besorgte unsere rege Phantasie. Eines war allerdings faszinierend, das war das neue Material Kunststoff. Unsere alten Holzautos waren doch nichts gegen diese glänzenden "perfekt" geformten Modelle. Allenfalls die größeren Blechautos kamen da noch mit, aber mein damals noch nicht besonders geschultes Kinderauge entdeckte an den Blechmodellen doch so manchen faulen Kompromiss. Blech lässt sich nicht (das gilt jedenfalls für den Spielzeugmaßstab) in jede gewünschte Form bringen. Der Kunststoff-Formenbauer hat da ganz andere Möglichkeiten, dann jedenfalls, wenn er sie nutzen kann und darf.

Nun ja, anfangs waren auch die Kunststoffmodelle noch weit entfernt von meinem Ideal, möglichst vorbildgetreu zu sein. Aus den oben erwähnten Gründen mussten die Formen einfach sein, sie bestanden aus lediglich zwei Teilen, Ober- und Unterteil.

Faustskizze einer Pontonform

Was kann man daraus machen? Sphärisch gewölbte Karosserien eignen sich für solche Formen ganz besonders, z.B. die des VW-Käfer oder des Porsche 356. Kantige Vorbilder bereiten jedoch ganz erhebliche Probleme. Machen wir uns das einmal klar an der US-Limousine von Wiking im Vergleich zum Porsche 356 vom gleichen Hersteller. 

 US-Limousine von Pilot, JGES, Wiking, und NP

Das Vorbild der US-Limousine, es mag ein Ford Custom von 1948 sein, wies erstmals bei Ford die moderne Pontonform auf. Nun werden sie einwenden, die typische Weltkugel im Grill spreche dagegen. Richtig, man konnte diese Art Kühlergrill mit den damaligen zweiteiligen Formen noch nicht darstellen. Der Formenbauer griff zu dem Trick, horizontale Stäbe in Form einer Treppe zu gravieren. Das machte er auch bei anderen Modellen mit ähnlicher Problemlage, z.B. bei den Wiking-Modellen Fiat- und Dodge-Lkw, ja sogar noch beim Ford FK 3500! Bei JGES ist das DKW-Sportkabriolett ein typisches Beispiel.

Konturen bei der US-Limousine

Achten sie auch einmal auf die Darstellung der Scheiben. Bei sehr steil stehenden Scheiben, z.B. den Seitenscheiben, fehlen die oberen Ränder einfach, denn bei den damaligen Stahlformen ließen sich nur die unteren und seitlichen Ränder formlich herausarbeiten. Günstig für die damaligen Formenbauer war, dass die Stoßstangen der Vorbilder damals immer am unteren Rand der Karosserie saßen. Türkonturen fehlten damals oft, manchmal wurden die Konturen der Hauben erhaben dargestellt, obwohl vertiefte Fugen wirklichkeitsnäher gewesen wären. Es war für den Formenbauer viel einfacher, in die Form Nuten hineinzufräsen. Da das gespritzte Formteil sozusagen ein Negativ aus dieser Form ist, sind diese "Fugen" dann erhaben.

Einige Skizzen soll das ganze Prinzip noch einmal verdeutlichen:

Links sehen wir ein zweiteiliges Werkzeug im Schnitt, eine einfache Puddingform (jelly mould), wie die Engländer abfällig sagen.

Mitte: Hier ist ein Problemfall dargestellt, eine sogenannte Hinterschneidung, die mit dem zweiteiligen Werkzeug nicht zu produzieren ist.

Rechts: Durch geschicktere Anordnung der Formteile kann übrigens eine solche einfache Hinterschneidung doch noch produziert werden.

Leider zwingen die meisten Hinterschneidungen zu mehrteiligen Stahlformen, z.B. so:

 

Eine mehrteilige Stahlform bot also die Möglichkeit, von mehreren Seiten aus die Karosserie gut zu gestalten. Sehr wichtig war das vor allem für den Kühlergrill, der ja beim Vorbild am meisten geeignet ist, die jeweilige Automarke zu identifizieren. Denken wir nur an den Mercedes-Kühler oder die Raute der Borgward Fahrzeuge. Die Grills und auch andere Details wurden nun sorgfältig graviert, was uns Jungen natürlich besonders begeisterte. Das galt übrigens auch für die Lkw und Busse. Greifen wir einige Beispiele heraus. 

Wir hatten bereits festgestellt, dass bei Wiking die Lkw der ersten Generation sehr stilisiert waren, was vor allem im Bereich der Kühler nachgewiesen werden kann. 1952 erschien der Büssing 8000, dessen Grill nun vorbildgerecht gestaltet war, ebenso die seitlichen Luftschlitze in der Haube. Bei genauerem Hinsehen bemerken wir jedoch, dass die Gravur der feinen Stäbe noch etwas ungelenk erfolgt ist, fast scheinen sie mir aus freier Hand gemacht worden zu sein. Beim Krupp Titan von 1955 oder beim Büssing 4500 U von 1956 ist das schon ganz anders. Auch sie gehören noch der Epoche der unverglasten Modelle an, die Gravur ist aber schon viel feiner und exakter geworden. Einen weiteren Qualitätssprung bedeuteten die bereits verglasten Lkw MAN 415 von 1959 und der im gleichen Jahr erschienene Henschel HS 100. Hier hatte man sogar die Grills als alufarbene Extrateile eingesetzt. Noch ziemlich lange wurden allerdings im Sortiment Modelle mitgeschleppt, denen man deutlich ansah, wie überholt sie waren, z.B. gab es noch 1964 eine Version des MB L 5000, dessen seitliche Kühlluftschlitze nur stilisiert waren. Einer der bestgravierten Lkw war dagegen der Henschel HS 16 von 1963. 

 

Waren zur Zeit der unverglasten Modelle die Wandstärken der Karosserien noch ganz erheblich, teilweise bis 3 mm stark, so nahmen die Wandstärken in der Folgezeit stark ab. Heute nähern sie sich bei Pkw dem kritischen Punkt, wo man durch die Wände hindurchsehen kann.

Noch einmal zu den Pkw Modellen von Wiking: Nach den ersten noch ziemlich grob gestalteten Karosserien kamen dann Modelle, die mir zu gefallen begannen. Der Käfer mit der ovalen Heckscheibe von 1954 war so ein Modell. Der Opel Kapitän ´54, erschienen 1955, gefiel mir schon ausnehmend gut, auch der ein Jahr später herausgebrachte Opel Caravan. Ein Topmodell war bereits der Karmann-Ghia von 1957.

Knautschgesicht und Matador im Vergleich

Weil´s so viel Spaß macht in Erinnerungen zu kramen, noch ein weiteres Beispiel aus der Zeit der Unverglasten: Der Vergleich zwischen dem Tempo Matador (liebevoll Knautschgesicht genannt) von 1951 mit dem nur 2 Jahre später produzierten Tempo Matador zeigt, dass bei Wiking ein Quantensprung stattgefunden hat. Nur so als Anmerkung: Die Aufhängung der Hinterachse bei dem 1953er Matador ist einfach genial!

Ob sie es glauben oder nicht, ich war keineswegs begeistert, als die Wikingmodelle allmählich verglast wurden. Mir gefielen die sauber geprägten Scheiben mit den ungemein feinen Rahmen so gut, dass ich die zunächst etwas grob verglasten Modelle als Rückschritt empfand. Nicht nur, dass der (die?) Borgward Isabella keine A-Säulen besaß, auch zum Beispiel der erste verglaste Käfer von 1960 war noch kein Meisterstück. 

Erster verglaster Käfer und Vorgänger

Es wurde aber rasch besser, und schon Anfang der 1960er Jahre wünschte ich mir die unverglasten nicht mehr zurück. Erst in den 1970er Jahren kam es zu einer Entgleisung, die ich den Wiking-Verantwortlichen noch heute übel nehme. Man stattete einige Modelle mit Grills aus Papier aus. Und das bei Wiking, wo man sonst immer Perfektion angestrebt hatte. Der K 70 hatte einen Papiergrill (1971), auch der erste Passat (1975), ja sogar der MB 350 SL (1972) hatte anfangs so ein Unding. Bisher war ich von den extra eingesetzten Grills aus Kunststoff ziemlich überzeugt gewesen, und nun das! 

Die Konkurrenz, z.B. Anguplas, Norev, Jouef, spritzte die Grills meistens als Bestandteil der Bodenplatte an, weil diese alufarben bzw. verchromt waren, was sich auch für den Grill gut machte. Leider waren diese Grills immer nur Notlösungen und haben mir nie gefallen.

Beim Mercedes-Benz 220 S setzte man 1961 soviel ich weiß erstmals die Scheinwerfer einzeln ein. Übrigens wurden bei den Mercedes-Grills meistens die Sterne als Bestandteil des Grills angespritzt, erst Mitte der 1990er Jahre setzte man sie als Messingätzteile ein. Eine tolle Lösung! Wann man erstmals auf die Idee kam, Schiebedächer zu gravieren, weiß ich nicht genau. Es war jedenfalls auch ein kleiner Fortschritt. Bei der Nachbildung des ersten MB T-Modells (Kombi) stellte sich das Problem, die Dachreling zu gravieren. Das gelang noch nicht so überzeugend. Als dann 1990 der Passat Variant mit durchbrochener Reling erschien, konnte ich das zuerst kaum glauben. Heute nimmt man es schon als selbstverständlich hin.

 

Bodenplatte

Anfangs waren sie unten offen, unsere Modellautos. Bei Wiking gab es dann ab 1952 das erste Modell mit geschlossenem Boden, den VW Transporter. Von einer Bodenplatte kann man hier aber noch nicht sprechen, der Boden war Bestandteil des Karosserieunterteils. Dieses Modell hatte auch noch feste Achsen.

Opel Olympia mit und ohne Bodenplatte

Ein Jahr später erschienen dann mit der DKW Limousine, dem Mercedes 220, dem Opel Olympia Kombi und dem Tempo Matador die ersten Modelle mit Bodenplatte. Beim Olympia Kombi war die Bodenplatte zunächst weiß! 

Die endgültige Umstellung der meisten Modelle im Wiking-Programm erfolgte dann ein Jahr später. 1954 erhielten die schon bekannten Modelle Jeep, Volkswagen, Opel Olympia und Porsche 356 sowie der Lkw Ford 3500 Bodenplatten. Die neu erscheinenden Lkw Magirus, Mercedes L 5000 und L 3500 erhielten von Anfang an Bodenplatten, die anderen "offenen" Lkw liefen allmählich aus.

Von Anfang an wurden die Bodenplatten bei Wiking graviert. Motorblock, Getriebe, Kardanwelle und Differential wurden zumindest angedeutet, das Firmenlogo erhaben graviert. Später kam noch ein Schlepploch hinzu, damit der Haken des Abschleppwagens hineingreifen konnte. 

Die wichtigste Aufgabe der Bodenplatte war jedoch, die Achsen aufzunehmen. Bisher waren die Achsen ja an der Karosserie befestigt (feste Achsen). Das geschah etwas unelegant, indem man die Stahlachsen erwärmte und und in den Kunststoff hineindrückte, der durch die Erwärmung plastisch wurde. Nach dem Erkalten saßen die in die Karosserie gedrückten Achsen fest. 

Auf die nun starr befestigten Achsen fädelte man die Räder auf, die sich auf der Achse drehen konnten. Damit sie nicht von der Achse ablaufen konnten, quetschte man die Achsenden breit. Diese Enden bildeten eine ständige Verletzungsgefahr, aber das spielte damals noch eine geringe Rolle. Beispielsweise konnte man sich an den großen Blechmodellen auch schnell Schnittwunden holen, weil die Kanten messerscharf waren.

Die Bodenplatte bot nun eine wesentlich bessere Möglichkeit, die Achsen aufzunehmen. Die Rollachse wurde durch Bohrungen in der Bodenplatte hindurch geschoben, dann die Räder aufgepresst, und zwar so, dass die Achsenden mit den Rädern bündig waren und man sich nicht mehr daran verletzen konnte. Es spielte damals keine Rolle, welche Seite des Rades man aufpresste, sie waren gleich geformt. Heute steckt man die Achse nur noch zum Teil in das Rad, die Seiten sind nicht mehr gleich. Das Rollverhalten der Modelle mit Bodenplatte verbesserte sich enorm, der Montageaufwand hatte sich verringert.

Erst einige Zeit später ging man dazu über, die Montage weiter zu vereinfachen, indem man einen kompletten Radsatz auf einmal montierte, das heißt also die schon auf die Achse gepressten Räder mit einem kurzen Druck in die Bodenplatte einklipste. Die Achshalterungen wurden dazu neu gestaltet und erhielten etwa folgendes Aussehen:

Die verengte Stelle ist entscheidend. Der flexible Kunststoff ermöglicht es, dass die Halterung bei Druck geweitet wird und ist so elastisch, dass sie in die Ausgangslage zurückkehrt und dadurch die Stahlachse festhält. Gleichzeitig ermöglicht die geringe Reibung dieser Halterung wiederum gute Rolleigenschaften.

Ein weiterer Zweck der Bodenplatte war es, Stoßstangen darzustellen. In den 1950er Jahren waren die Stoßstangen bei den Modellvorbildern meistens verchromt, oft sogar als üppiges Gestaltungselement Symbol des wirtschaftlichen Wohlstandes in der Nachkriegszeit. Bei Wiking spritzte man daher die Bodenplatte etwa aluminiumfarbig ab, um den Chromeffekt nachzuahmen, denn die Stoßstangen waren Bestandteil der Bodenplatte. Der Farbeffekt war anderen Herstellern zu bescheiden, denn die Stoßstangen wirkten eher grau als silbern bzw. verchromt. Diese "verchromten" dann tatsächlich die Bodenplatte ihrer Modelle, manchmal unter Einbeziehung des Grills. 

Bei Wiking widmete man jedenfalls der Gestaltung der Bodenplatte große Aufmerksamkeit, was bei uns technisch interessierten Jungen gut ankam und zum Ruf der Firma beitrug. Die Gravur wurde immer aufwendiger und vorbildgerechter. Weitere Einzelheiten wie Reserveradmulde, Benzintank, Schalldämpferanlage, Details der Radaufhängung usw. wurden dargestellt. 

Sehr interessant sind für den Sammler die Bodenprägungen, soweit sie das Firmenlogo und eventuelle weitere Angaben betreffen, z.B. Marke und Typ des Vorbildes, die Modellnummer. Bei Wiking kann man zwischen mehreren Epochen der Beschriftungsvarianten unterscheiden.

Besonders intensiv war die Beschriftung der Bodenplatten bei Clé, während beispielsweise Espewe nur wenige Bodenplatten mit Beschriftungen versah.

Während die Pkw-Modelle durchweg Bodenplatten erhielten, war das bei anderen Gattungen nicht immer so. Die Lkw Fahrerhäuser wurden so lange mit Bodenplatten verschlossen, wie der Rahmen mit dem Fahrerhaus ein Spritzteil bildete. Als man Rahmen und Fahrerhaus in getrennten Formen abspritzte, entfiel die Bodenplatte, da nun der Rahmen wie beim Vorbild unter dem Fahrerhaus durchging.

Busmodelle erhielten schon früh Bodenplatten. Anfangs bevorzugte man bei Wiking die Gravur einer X-Traverse auf der sonst glatten Bodenplatte. Der O 6600 H (Pullmann Bus) erhielt dann eine verbesserte Bodenplatte mit angedeutetem Heckmotor. Beim Büssing "Trambus" stellte man die Längstraversen mit dem Unterflurmotor sehr aufwendig dar, der Spritzling war dann aber keine Bodenplatte, sondern wurde als gesondertes Spritzteil unter die Karosserie geklemmt.

Pullmanbus mit verschiedenen Bodenplatten

 

Fenster / Verglasung

In der Urzeit der Modellautos konnten Fenster nur andeutungsweise dargestellt werden. Die in die Form gespritzte Karosserie ähnelte noch ziemlich stark den in Formen gepressten Exemplaren. Diese Technik erforderte noch eine abgestufte Form. Die vertieften Fensterpartien konnten nur unvollkommen dargestellt werden, infolgedessen waren die Oberkanten der Fenster kaum zu sehen, während die Unterkanten stark ausgeprägt waren. Die Skizze zeigt dies etwas verständlicher:

Die Darstellung der Fenster war damals produktionstechnisch bedingt grob. 

Fortschritte im Formenbau ermöglichten eine feinere Darstellung der Fenster. Vor allem gebogene Fenster, wie sie bei den Vorbildern um diese Zeit aufkamen, wurden jetzt gut nachgebildet und durch eine feine Gravur des Rahmens ergänzt. Dies ist typisch für folgende  Wiking-Modelle (Katalogjahr in Klammern):  Mercedes 180 (1956), Opel Rekord Caravan (1956), MB 300 SL (1956), Lloyd LP 400 (1957), Goliath (1957), VW Karmann-Ghia (1957). Man kann davon ausgehen, dass es einen fließenden Übergang gab, aber ab 1955 ist ein deutlicher Fortschritt erkennbar. Ein gutes Beispiel für allmähliche Verbeserungen ist der DKW (1953), dessen Front- und Heckscheibe gut gelungen sind, während die Seitenscheiben an der Oberkante noch wenig konturiert sind. Bei diesem Modell gefällt die Frontscheibe mit ihrem Mittelknick besonders, denn der war beim Vorbild wirklich so vorhanden. Ähnliches gilt auch für die 1954 bis 1955 erschienenen Modelle, z.B. Ford 12 M, BMW 501, MB 300, Opel Rekord 1953, Opel Kapitän 1954 . Besonders gelungen sind unter den 1956/57 erschienenen Modellen der MB 300 SL und der Karmann-Ghia.

Auf die Dauer war jedoch die Darstellung geschlossener Fenster unbefriedigend. Die damalige Zeit bei Wiking ist gekennzeichnet durch die Suche nach besseren Lösungen. 

Gesilberte Fenster

Einige Wikingmodelle erhielten gesilberte Scheiben. Mit Hilfe von Schablonen wurden die Scheiben sehr exakt gesilbert und sahen dadurch recht gut aus. Dennoch blieben solche Modelle eine Ausnahme und nur ein Übergang zu den verglasten Modellen. Beispiele sind der Pullmann Bus O 6600 H und der Opel Kapitän (nur 1960). Ein anderer Hersteller, der sich dieser Technik bediente, war Märklin.

Durchbrochene Fenster

Auf die Idee, Fenster durchbrochen darzustellen, war man bereits beim T 7 Stromlinienbus im Jahre 1948 gekommen, der zunächst eine Einzelerscheinung blieb, denn schon die nächste Version des T 7 erhielt noch 1948 geschlossene Fenster. Erst 1953 kam es mit dem Supertankwagen (Henschel Bimot) zu einem neuen Versuch. Man könnte auch die Pkw Modelle Jeep (1954) und VW Cabrio (1955) mit ihren unverglasten Frontscheibenrahmen hinzurechnen, doch auch dann blieben die durchbrochenen Fenster bei Wiking die Ausnahme.

Durchbrochene Fenster beim Trabi von Glittenberg

Andere Hersteller griffen ebenfalls zu dieser Darstellung der Fenster, Herr mit dem EMW 340/2 (1954), Glittenberg stellte nur Modelle mit durchbrochenen Fenstern her, relativ späte Nachfolger waren die Wartburg 353 Modelle der Plasta Werke Sonneberg.

Verglaste Fenster

Durchbrochene Fenster erfordern schon recht komplizierte Stahlformen mit so genannten Stempeln, die diese Öffnungen beim Spritzvorgang erst schaffen. Die ersten verglasten Modelle entstanden indessen auf etwas andere Art. 

Der Büssing Trambus (1951) hatte ein Dachteil aus transparentem Kunststoffmaterial, das den Blick ins Innere mit den hervorragend dargestellten Sitzreihen ermöglichte. Man muss sich in die 1950er Jahre zurückversetzen, um diese Faszination nachvollziehen zu können. Die meisten damaligen Vorbildfahrzeuge waren nicht sehr üppig verglast, aus Gründen der Formstabilität und aus Kostengründen. Reisebusse, die den Passagieren einen möglichst ungehinderten Blick in die Landschaft ermöglichen sollten, waren dagegen für damalige Verhältnisse sehr großzügig verglast. Zusätzliche Dachrandverglasungen ermöglichten den Panoramablick nach schräg oben, z.B. bei Alpenfahrten. Solche Busse erschienen den damaligen Zeitgenossen wie wahre Glaspaläste. Als man bei Wiking nun einen solchen Bus ins Modell umsetzen wollte, scheute man davor zurück, die dünnen Dachstreben darzustellen und wählte lieber den Ausweg, das ganze Dachteil aus transparentem Material zu spritzen. Man tat gut daran, denn ein anderer Hersteller hatte noch in den 60er Jahren Probleme mit den Dachstreben (Espewe mit dem Robur Bus). Heute werden große Glasteile mit Hilfe von Schablonen lackiert, um dünne Streben darzustellen, z.B. Rietze (Neoplan Cityliner) und Efsi (Bova Futura). Etwas einfacher machen es sich andere Produzenten, die die Streben ins Glasteil gravieren, z.B. Herpa (Setra S 215 HD) und Wiking (MB O 303 RHD).

Bei diesem Setra S 6 (Bayern-Modell) wurde das Glasdach bedruckt.

Die Verglasung von Wiking-Modellen beginnt aber so richtig erst 1957 mit dem Ford FK 1000 Lieferwagen und 1958 mit dem Pkw Borgward Isabella, denn die "Glasscheibe" des Jeeps (1957) kann man ja noch nicht ernsthaft als Verglasung auffassen. Das Isabella Modell hatte noch keine A-Säulen, man scheute offensichtlich auch hier die Problematik der dünnen Streben. Die danach entwickelten verglasten Modelle weisen diesen "Fauxpas" nicht mehr auf, aber die dünnen Streben waren tatsächlich ein Problem, denn viel Druck vertrugen sie nicht. Die verglasten Modelle sind natürlich viel weniger robust als ihre unverglasten Vorgänger.

Der Erfolg der verglasten Modelle war durchschlagend. Nach und nach wurden daher auch einige unverglaste Modelle umgerüstet, was teure Formen erforderte. Schließlich verschwanden die unverglasten Modelle ganz aus dem Wiking Sortiment.

Pioniere der Verglasung: Anguplas und Norev

Pioniere der verglasten Modelle waren zwei Firmen, die nicht jeder kennt, Anguplas aus Spanien und Norev aus Frankreich. Deren Glaseinsätze sind jedoch immer ein bisschen verschliert und ermöglichen keinen Blick ins Innere. Die Wiking Verglasungen zeichnen sich demgegenüber durch Perfektion aus, sie passen genau und sind absolut durchsichtig.

Die Befestigung des Verglasungsteils erfolgt meistens durch Verklebung mit der Karosserie oder das Glasteil wird durch andere Teile an die Karosserie gedrückt.

Die heutigen Modelle sind fast durchweg verglast. Ausnahmen bilden nur Billigmodelle, z.B. Bruder.

 

Inneneinrichtung
Schon 1954 hatte das Herr Modell des EMW 340-2 in die Bodenplatte integrierte Sitze als angedeutete Inneneinrichtung. Später wurde es üblich, die Inneneinrichtung als gesonderten Spritzling zu produzieren. Das hatte den Vorteil, dass sich die Inneneinrichtung nun auch farblich von der Bodenplatte unterschied. Im Lauf der Jahre wurde immer mehr Wert auf die Inneneinrichtung gelegt. Natürlich begann dies mit offen dargestellten Cabriolets, wo schon ziemlich früh auch Lenkräder dargestellt wurden. Es begann mit an der Karosserie angespritzten Lenkrädern, die aufgravierte Speichen bekamen. Wenn Fahrerfiguren eingeklebt wurden, spritzte man diesen das Lenkrad an. Sie hielten es zwischen den Händen. Dann erst wurden filigrane Lenkräder, also mit Durchbrüchen zwischen den Speichen, einzeln eingeklebt, was den Montageaufwand jedoch so erhöhte, dass man bei steigenden Lohnkosten die eingesetzten Lenkräder zumindest bei Pkw Modellen wieder aufgab. Sie wurden nun als Bestandteil der Inneneinrichtung angespritzt, was von vielen Modellfreunden als Rückschritt moniert wurde. Die steigenden Ansprüche in den 80er Jahren führten zu einer besseren Lösung. Nun sind die Lenkräder zwar auch noch Bestandteil der Inneneinrichtung, sind aber wieder durchbrochen dargestellt und hängen nur noch mit einem Teil des Kranzes am vorbildgerecht dargestellten Armaturenbrett. So entsteht die Illusion eines frei stehenden Lenkrades. Der Montageaufwand ist gering, da das Lenkrad bei der Montage der Inneneinrichtung von selbst in seine Lage klappt. Eine bemerkenswerte Ingenieurleistung.

Inneneinrichtungen einst und jetzt

In mehreren Stufen verbesserte man die Inneneinrichtung. Sitze bekamen eine "Polsterung", zunächst nur durch grobe Riffelung, heute werden die Sitze vorbildnah dargestellt, auch Kopfstützen werden angedeutet. Die Armaturenbretter und Mittelkonsolen wurden wie gesagt vorbildnah gestaltet, nachdem man jahrelang mit Einheitsinneneinrichtungen ausgekommen war. Selbst die Hutablagen erhielten nun eine Gravur.

Räder und Achsen

Wenn man über die Räder unserer Modellautos schreibt, kann man dies nicht tun, ohne auch die Achsen mit in die Überlegungen einzubeziehen. Räder und Achsen bilden sozusagen ein System bei unseren Minis, denn obwohl es sich um Modelle zum Anschauen, also eigentlich um Standmodelle, handelt, möchten wir sie doch auch einmal rollen lassen.

Manche Hersteller bieten allen Ernstes Standmodelle. Sie denken nicht daran, ihren Modellen Rolleigenschaften zu verleihen. Ein extremes Beispiel sind die Erzeugnisse von Autosculpt. Sie sind so perfekt gemacht, dass es eigentlich schade ist, dass sie völlig unbeweglich auf ihrem Sockel stehen. Sie bestehen aus einem „Guß“ und die Räder sind Teil davon.

Rollt nicht: Austin A 30 von Autosculpt

Auf einer Börse traf ich einen Sammler, der ganz genau Bescheid wusste. „Modellautos müssen gut rollen, sonst taugen sie nichts.“ Na, er fasste denn auch sofort zu und rollte ein wirklich gutes Modell (von Rietze) auf dem Tapeziertisch herum, so dass ich schon befürchtete, es werde in seine mindestens 30 Einzelteile zerfallen. Enttäuscht ließ er endlich von seinem Vorhaben ab. „Das rollt miserabel.“ Recht hatte er. Rietze kann hervorragende Modelle machen, aber die Pkw rollen nicht besonders gut, weil die Gummireifen an der Karosserie scheuern. Soll ich deswegen auf Rietze-Modelle verzichten?

Im Grunde genommen ist die Rollfähigkeit eines Modellautos mehr das Kriterium eines Spielzeugs. Als Kinder haben wir mit unseren Miniautos im Sandkasten häufig Wettrennen gefahren. Wir ließen die neuen Wiking-Modelle Rampen hinuntersausen, um das schnellste Auto zu ermitteln. Wir „tunten“ die Modelle, indem wir die Bodenplatte mit Knetgummi oder Bleiklötzchen beschwerten. Auch etwas Nähmaschinenöl an den Achsen verbesserte noch die Rolleigenschaften.

Aber: Wer Modelle nur nach ihren Rolleigenschaften beurteilt, wird eine vollkommen andere Sicht der Modellszene entwickeln als ernsthafte Sammler, aber muss man das bedauern? Es ist zwar ganz nett, wenn unsere Standmodelle gut rollen, besonders wichtig ist dieses Kriterium nicht. Die Beurteilung, ob das System aus Rädern und Achsen gelungen ist, kann sich auf ganz andere Fakten stützen.

Fangen wir mit den Achsen an. Es geht nichts über Stahlachsen. Sie stören zwar den ästhetischen Eindruck, weil starre Achsen schon seit mindestens 60 Jahren bei den Vorbildern unserer Modelle nicht mehr vorkommen, wer aber Rolleigenschaften will, wird das tolerieren müssen.

Qualitätsmerkmale sind vernickelte Stahlachsen (silbrig glänzend). Sie sind einigermaßen rostgeschützt, wer aber seine Modelle in feuchten Räumen lagert, wird bald Korrosion an den Achsen feststellen. Verkupferte Achsen (z.B. bei Eko) sind Merkmal von Billigmodellen. Noch billiger sind Kunststoffachsen, die ein gemeinsames Spritzteil mit den Rädern bilden. Eine Besonderheit waren die Nylonachsen bei JGES oder die Technik bei Herr in Ostberlin, die Kunststoffräder gleich auf die Stahlachse zu spritzen (beim Modell des EMW 340/2).

Ein weiteres Kriterium ist also die Befestigung der Räder auf den Achsen. Da kann man es sich sehr leicht machen und die Achsen durch Löcher in den Rädern hindurch stecken und die Achsenden dann platt quetschen, so dass die Räder nicht mehr abrutschen können. Solche „Quetschachsen“ hat Wiking in den 1950er Jahren in solchen Massen produziert, dass viele andere Hersteller diese Technik nachgeahmt haben. Matchbox-Modelle hatten auf der einen Seite einen rundlichen Nietkopf, das andere Ende der Achse wurde nach der Montage verquetscht. 

Die Achsenden stehen gefährlich weit ab.

Der unten abgebildete Bus von Anguplas hat dagegen rundliche Nietköpfe auf beiden Achsenden. So hat auch schon Bub vor dem 2. Weltkrieg seine Achsen ausgerüstet, die Achsen waren damals jedoch erheblich dicker.

Die bereits oben erwähnte Firma JGES aus Thüringen verwendete Nylonachsen, die man natürlich nicht platt quetschen konnte, hingegen ließ sich der Kunststoff mit Hilfe eines Lötkolbens an den Enden erwärmen und zu einem Knoten formen, der die gleiche Funktion erfüllte wie ein Nietkopf. 

Die hässlichen Achsenden hatten aber nicht lange Bestand. Bei den „Quetschachsen“ kam hinzu, dass sich so manches spielende Kind an den Achsenden verletzt hat. Nach den heutigen Sicherheitsbestimmungen wäre diese Produktionsweise unzulässig.

Die robusten Kinder der 50er Jahre hatten stets Heftpflaster auf irgendwelchen Stellen der Arme und Beine. Herr Peltzer hat dann schließlich weniger aus Mitleid als vielmehr aus ästhetischen Gründen die Art der Befestigung der Räder auf den Achsen geändert. Fortschritte in der Technik des Kunststoff-Spritzgießens führten dazu, dass man die Löcher in den Plastikrädern so genau fertigen konnte, dass man sie ohne Spiel auf die Achsenden stecken konnte. Bei weniger perfekten Modellen fielen die „durchgesteckten“ Räder rasch ab und fielen meistens genau in die Ritzen der Dielenbretter des Fußbodens. So manches Auto dieser Epoche humpelte dann auf drei Rädern über meine Eisenbahnanlage oder es fehlte sogar eine komplette Achse, wodurch das Auto zu einem Dasein im Schuhkarton verurteilt wurde, wo es die Zeiten überdauerte.

„Durchgesteckt“ hießen die Achsen, weil die Kunststoffräder durchgehende Bohrungen aufwiesen und die Achsenden zu sehen waren, weil sie auf der Außenseite bündig mit den Rädern abschlossen.

Erst später kam man darauf, dass man die Achsen nicht ganz durchstecken muss, sondern dass es hübscher aussieht, wenn die Bohrung nicht ganz durch den Kunststoff hindurchgeht. Auf diese einfache Weise sieht man dann von außen nur das wohlgeformte Kunststoffrad, das Achsende ruht im Inneren.

Einige Hersteller haben leider noch lange an den durchgesteckten Achsen festgehalten.

Die Befestigung der Achsen an der Bodenplatte ist an anderer Stelle besprochen, sie ist auch weniger ein Qualitätsmerkmal als ein Problem der rationellen Fertigung.

Es hat aber sehr viel mit Qualität zu tun, ob sich der Modellauto-Hersteller die Mühe macht, ein Rad vorbildgerecht zu modellieren oder nicht. Zur Beurteilung dienen folgende Fragen:

Erstens:

Ist das Rad ein- oder mehrteilig? Wenn Reifen und Felge aus verschiedenen Formteilen bestehen, spricht man von zweiteiligen Rädern. Bei manchen Spitzenmodellen wird die Radnabe auch noch zu einem Extrateil (manche Lkw-Räder).

Zweitens:

Sind die Reifen farblich richtig dargestellt? Da gibt es eine enorme Variationsbreite, die in der Realität nicht vorhanden ist. Reifen haben, wenn sie nur etwas gealtert sind, immer einen schiefergrauen Farbton. Unsere Modellhersteller bieten dagegen wahre Farborgien. Weiße, ja sogar bunte Reifen kommen vor. Aber bis in neueste Zeiten halten manche Produzenten zähe an schwarzen Reifen fest, die sehen so aus, als habe der Gebrauchtwagenhändler gerade wieder mit Reifenlack hantiert (damit der olle Schinken „auf neu“ aussieht). Nur wirklich gewissenhafte Modellproduzenten haben den schiefergrauen Farbton drauf.

Drittens:

Weisen die Reifen ein Profil auf oder sind sie glatt? Vorsicht! Meiner Ansicht nach ist es gerade kein Qualitätsmerkmal, die Reifen zu profilieren. Sie müssen bedenken, dass ein Profil im M 1:87 kaum darstellbar ist! Bei Pkw Reifen sollte man vollkommen auf ein Profil verzichten, aber selbst bei Lkw-Reifen ist die Sache problematisch. Ganz anders sieht das bei landwirtschaftlichen Fahrzeugen, Baufahrzeugen oder Armeefahrzeugen aus. Wiking fand beim „Munga“ eine gute Lösung, manche Zinngussmodelle zeigen sich „profiliert“ 

Viertens:

Reifenflanken mit dem Namen des Reifenherstellers zu versehen, ist ebenfalls etwas problematisch im H0-Sektor. Das ist bei Lkw-Modellen jedoch recht beliebt. Pkw-Modelle werden dagegen häufig mit weißen Flanken versehen, um Weißwandreifen zu simulieren. Dabei übersehen manche sonst so gewissenhaften Produzenten, dass die „Weißwandepoche“ nur eine kurze Episode war. Modelle ab Mitte der 1960er Jahre wirken mit Weißwandreifen schon anachronistisch!

Fünftens:

Wichtigstes Kriterium ist aber die Gestaltung der Felge. Früher gab es die einfachen „Knopffelgen“, allerdings auch dadurch bedingt, dass in den 1950er Jahren bei den großen Vorbildern einfach gestaltete Scheibenräder vorherrschten. Auch Wiking begann mit „Knöpfen“, die aber wenigstens akkurat gestaltet waren. Groschenautos hatten ähnliche Räder, merkwürdigerweise meistens aus weißem Kunststoff, während Wiking graue Farbnuancen bevorzugte. Die Metallräder von Lego waren regelrecht primitiv und erinnerten etwas an die Vorkriegsmodelle von Bub. Je mehr sich aber Modellautos vom Spielzeug weg zum Sammelobjekt hin entwickelten, wurde auch die vorbildnahe und kunstvolle Gestaltung der Felgen notwendig. Heute sind selbst bei preiswerteren Modellen zweiteilige Räder, manchmal sogar mit durchbrochenen Felgen, Standard.

Die Abbildung links zeigt, was sich in wenigen Jahren verändert hat. Das ältere Rad von Rietze hat noch eine durchge­steckte Achse, die Felge ist etwas einfach gestaltet. Heute bietet der gleiche Her­steller besonders aufwendige Räder mit durchbrochenen Felgen und Gummireifen. Die Nahaufnahme zeigt, dass das alu­farbene Spritzteil leider dunkle Streifen aufweist. 

Zwei Räder von Rietze zum Vergleich

Es lohnt sich durchaus, die Techniken der verschiedenen Hersteller genauer unter die Lupe zu nehmen, und das ist bei Rädern wörtlich zu nehmen:

Anguplas, Studebaker „Big Six“

Die Räder dieses Modells sind für die damalige Zeit (Ende der 50er Jahre) sensationell: Sie sind zweiteilig, die Felgen sind nicht nur filigran, sondern auch durchbrochen.

AMW, VW Käfer

Die besten Käferfelgen, die ich kenne, kommen aus Selb. Absolut vorbildnahe Gestaltung, Felgen sind durchbrochen. Die zarte Profilierung der Reifen ist gelungen, leider sind die Reifen vollkommen neu (glänzend schwarz).

Busch, Ford AA Delivery

Die dünnen und großen Lochfelgen sind hervorragend getroffen.

 

DOM Plastik

Die wohl primitivste Art, Achsen und Räder darzustellen, ist es, sie aus einem Stück zu spritzen. Es vereinfacht die Montage ganz enorm, dass man die Achsen rasch in die Halterungen der Karosserie einklipsen kann.

 

Dyna, Stanley Steamer

Die filigranen Speichenräder weisen darauf hin, dass der Hersteller den Zinnguß gut beherrscht.

Espewe, Robur LO 2500

Der Erstling von Espewe erschien 1961. Von diesen Rädern konnte der Wiking-Sammler damals nur träumen. Eine tolle Leistung.

Ferrero, diverse Modelle

Groschenautos aus Ü-Eiern müssen nicht billig gemacht sein. Oft sind die Modelle stark stilisiert, die Räder dagegen gut gelungen.

Herpa

Der abgebildete Actros Sattelzug weist besonders vorbildgerechte Felgen mit Naben als Extrateilen auf. Selbst die Profilierung der Reifen ist gelungen. Merkwürdigerweise ist der Ersatzreifen der Zugmaschine vollkommen abgefahren, obwohl der Actros ein Neufahrzeug zu sein scheint. Des Rätsels Lösung: Der Ersatzreifen stammt aus einer älteren Serie und hat gravierte Reifenflanken, die ihn als ein „Continental“-Erzeugnis ausweisen. Die neueren Reifen hat man nicht mehr in dieser Weise graviert, was ich nicht als Nachteil werte.

JGES

Wenn man die Bakelitmodelle von unten betrachtet, erkennt man die ungewöhnliche Befestigung der Räder auf Nylonachsen. Ein Foto haben wir schon auf einer anderen Seite gezeigt.

Jollyni

Der italienische Kleinserienhersteller Jolly macht sich bei seinen einzigen H0-Modellen genauso viel Mühe wie bei den größeren Maßstäben. Die Räder bestehen aus gedrehten Alufelgen, die mit Gummireifen bestückt sind. Speichen und Zentralverschlüsse sind jeweils Messingätzteile. Ein enormer Aufwand, der sich aber gelohnt hat.

Jouef

Weißwandreifen galten Mitte bis Ende der 1950er Jahre als chic, also bildete man sie auch im Modell nach. Bei Jouef löste man das Problem mit weißen Rädern, deren Felgen dann rot lackiert wurden. Einige Jahre später war das schon zu aufwendig, die neue Auflage der Ladegutmodelle erhielt unrealistische rote Räder.

Lemeco

Der hierzulande wenig bekannte schwedische Hersteller orientierte sich beim Pkw-Modell an der dänischen Marke Pilot. Die Metallräder wurden später auch von Lego bevorzugt. Metallräder dürfen daher fast als skandinavische Spezialität gelten.

Völlig anders konstruierte Lemeco das Traktormodell. Die Achsen sind Teil des Modellkörpers (ein Stück!), die Räder wurden aufgeschoben und die Achsenden dann thermisch verformt (wahrscheinlich mit einem Lötkolben). Daher sehen sie etwas unregelmäßig aus.

Manurba

Der Bamberger Hersteller verwendete weiße Kunststoffräder, in die die Stahlachsen eingesteckt wurden. Sie wurden schon damals (50er Jahre) nicht durchgesteckt, sondern die Achsen wurden in das Karosserieteil eingeklipst.

Matchbox

An diesem Chevrolet Impala (No. 57) erkennt man sehr schön auf einer Seite die unterschiedliche Art der Formung der Nietköpfe. Auf der einen Seite wurden die Achsen mit vorgefertigten Nietköpfen versehen und die Achse nach Montage der Räder durchgesteckt. Das andere Achsende wurde dann zu einem Nietkopf geformt, der etwas anders aussieht.

Minix

Die chromglänzenden Räder der für England seltenen Kunststoffmodelle täuschen Metallräder vor, es handelt sich aber um „verchromte“ Kunststoffräder auf verkupferten Stahlachsen.

MIR

Zur Abwechslung sehen wir hier die „Räder“ eines Panzermodells, eines sowjetischen SU 100 Jagdpanzers. Bei Panzern nennt man die Räder mitsamt der Kette das Laufwerk. Jeweils das rechte oder linke Laufwerk wurden hier aus einem Teil gespritzt und wie ein Relief geformt.

morem

Der ambitionierte Kleinserienhersteller hat das Problem der Darstellung von Speichenrädern elegant und aufwendig gelöst. Die Speichen bestehen aus fotogeätztem Messing, die Felgen aus Metall, die Reifen aus Gummi. Der Eindruck ist entsprechend gut. Ein Foto erübrigt sich hier, denn die Räder sehen ähnlich aus wie die von Jollyni.

Nimix

Der spanische Spezialist für Armeemodelle hat schöne Geländereifen im Sortiment. Aber es geht noch besser, wie die Konkurrenz aus Rußland (siehe MAC) beweist.

Norev

Man mag es kaum glauben, dass diese Modelle aus den 1960er Jahren zweiteilige Räder hatten, Die „Chromfelgen“ bekamen schwarze Gummireifen aufgezogen, das muss ziemlich aufwendig bei der Montage gewesen sein. In so gutem Zustand wie bei diesem R 4 Kastenwagen sind die Gummireifen selten, manchmal hängen nur noch verklumpte Teile auf den Felgen.

MAC

Der tschechische Händler hat mit diesem ZIL 157 aus russischer Produktion einen fast perfekten Bausatz im Sortiment. Nicht zuletzt die Geländereifen sind sehenswert.

MGM

Peter Schaden ließ nach seinen Vorgaben in China produzieren. Zum Modell des Porsche GT 1 konnte man gratulieren, lediglich die Felgen waren Mittelmaß. Sie waren zwar gut graviert und durchbrochen dargestellt, der lehmbraun gefärbte Kunststoff lag leider ziemlich daneben, denn im Original sind die Felgen goldfarben.

Permot

Sehr schöne Skoda Lkw Modelle kamen aus Glashütte im Erzgebirge. Hier ein ganz frühes Exemplar mit den wenig vorbildgerechten roten Rädern, die bei Sammlern gesuchter sind als die späteren Ausführungen mit zweiteiligen Rädern. Warum aber rote, blaue und weitere bunte Räder? Ganz einfach, alle Teile des Skoda wurden in einem Werkzeug abgespritzt. Wenn man nun rote Fahrerhäuser verwendete, hatte man zwangsläufig auch rote Fahrgestelle, Pritschen, Räder. Man kombinierte daher bei der Montage die Farben, indem man jeweils vom Zentralanguss die 4 Gießäste einzeln abkniff. Im Kapitel 3 ist ein einzelner Gießast abgebildet.

PGH Plauen

Der mittelalterliche Planwagen erhielt selbstverständlich auch vorbildnahe Speichenräder. Bei dem sächsischen Hersteller von Modellbahnzubehör waren alle Details unglaublich fein herausgearbeitet.

 Praliné

Eines der schönsten Praliné-Modelle war sicher der 1955er Ford Thunderbird. Im Stil der Zeit ist er üppig verchromt, so auch die Felgen, aber die weißen Gummireifen wirken etwas deplaciert. Das Vorbild hat Weißwandreifen, aber keine vollkommen weißen Pneus.

Sensationell gut waren hingegen die Felgen des MG TC. Es sind die sicherlich besten Speichenfelgen der gesamten H0-Szene. Mir ist schleierhaft, wie man so etwas hinkriegt.

Preiser

Zum 100jährigen Jubiläum des Lastkraftwagens schufen die Preiserlein dieses unglaublich filigrane Modell des ersten Daimler Trucks, Baujahr 1896. Die Speichenräder können sich absolut sehen lassen.

Promotoys

Aus einem Überraschungs-Ei von Ferrero stammt dieses stark stilisierte Modell eines DKW F 1 (die Kühlerform des „DKW Front Typ FA 600“ ist unverkennbar). Die Speichenräder sind gar nicht einmal schlecht gemacht, passen aber überhaupt nicht zum Vorbild, welches billige aus Stahlblech gepresste Scheibenräder hatte. Bemerkenswert ist, dass die Räder des Modells samt Achse aus nur einem Kunststoffteil bestehen und dennoch durchbrochen dargestellt sind. Hinter- und Vorderachse entstammen verschiedenen Formen. Eine Art Billig-High-Tech.

Revell

Der Mack Bulldog, wie er hier abgebildet ist, wurde als Bausatz angeboten und erschien später bei Heljan/ConCor noch einmal. Eine schöne Leistung für die damalige Zeit waren die durchbrochenen Räder, die exakt dem Vorbild von 1913 mit seinen Vollgummireifen entsprechen. 

Rietze

Die Modelle der Altdorfer sind im Lauf der Jahre immer perfekter geworden. Das trifft auch auf die Räder zu. Sowohl die Pkw als auch Lkw und vor allem die Busse weisen heute vorbildgerechte Felgen mit Gummireifen auf. Diesem Ford Transit stehen die gelochten Felgen ausgesprochen gut.

 

Roco

Die filigranen Armeemodelle des Salzburger Herstellers waren lange Zeit Spitzenprodukte ihrer Gattung. Auch die Räder sind individuell gestaltet. Leider sind sie einteilig und daher vollkommen oliv durchgefärbt.

Die zivile Serie „Roco miniatur modell“ erhielt zweiteilige Räder, und sie stehen diesem Landrover wirklich gut.

Roskopf

Die Gleisketten bilden mitsamt allen Laufrollen ein gemeinsames Spritzteil. Dieser amerikanische M 48 aus den 1950er Jahren war ausgesprochen gut gelungen, das Relief der Laufrollen ist sehr tief ausgearbeitet. Mich störte damals aber ganz erheblich, dass die Ketten vollkommen glatt gestaltet waren, als handele es sich um ein Gummiförderband.

 

In den 1990er Jahren war der Roskopf „Serie Nostalgie“ nicht der  Erfolg beschieden, den sie verdient gehabt hätte. Der Formenbauer hat die zeitgenössischen Vollgummiräder gut nachgestaltet.

Saller

Die typischen Felgen der Lanz-Traktoren hat Günter Saller hervorragend getroffen. Die beim Vorbild enorm weit herausstehenden Achsenden stehen auch im Modell weit ab, so als bildeten sie ein echtes Gefährdungspotential für das Scheunentor des nächsten Fallerhäuschens.

Tramo

Der russische Armeelaster aus den 1930er Jahren ist gut getroffen, die Zweilochfelgen sind eine Besonderheit in der H0-Modellwelt.

Wiking

Der Berliner Traditionshersteller hat über all die Jahre seiner Existenz immer auch Zubehör angeboten. Räder waren meistens dabei. Leider war Wiking bei der Räderherstellung nicht immer auf der Höhe der Zeit, sondern legte den Schwerpunkt auf den Aspekt rationeller Fertigung.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurden die einfach gestalteten Kunststoffräder (Knopfräder) auf Stahlachsen aufgeschoben und die Achsenden gequetscht (Quetschachser). Die erhitzten Achsen drückte man zuvor in den Kunststoff der Karosserie.

Später steckte man die Achsen ohne Spiel in die Löcher der Räder, die Achsenden waren gerade noch sichtbar. Die Achsen steckte man durch Löcher in der Bodenplatte, damit sie leicht rollen konnten. Für die „Rollachser“ entwickelte man später eine Maschine, die die lohnintensive Arbeit der Montage der Räder auf die Achsen vollautomatisch übernahm.

Die Montagegruppe Räder/Achse wurde anschließend in die Bodenplatte eingeklipst, und diese Art der vereinfachten Montage wird in verfeinerter Form heute von nahezu allen Serienproduzenten angewendet.

Über lange Jahre wurden die Wiking-Pkw-Modelle nur noch mit Einheitsrädern ausgestattet, der sogenannten Riffelkappe, deren Designvorbild in den Zierfelgen der 1950er Jahre zu finden ist und die spätestens mit dem letzten Goggomobilfahrer ausstarben. Beim Wiking-Modell überlebten die geschmacklosen Dinger bis Ende des vorigen Jahrtausends. Nur in Ausnahmefällen rafften sich die Berliner auf, bessere Nachbildungen anzubieten, wie z.B. die Mercedes-Räder oder die Einheitsräder für Oldtimer. 

Bei den Lkw Modellen der Berliner sah es kaum besser aus. Manches tolle Modell leidet auch heute noch unter den vollkommen unzureichenden Rädern. Leider scheint das immer noch so eine Art Firmenphilosophie zu sein.

Riffelkappen am BMW 507? Schrecklich!

10.2 Beurteilung

Die solide Kenntnis der einzelnen Baugruppen eines H0-Modells kann schließlich in eine Gesamtbeurteilung eines Modells einmünden. Die Autoren der einschlägigen Modellautozeitschriften haben zahlreiche Versuche gemacht, Modelle zu beurteilen und ein Gesamturteil abzugeben.

Solche „Tests“ waren bei den Herstellern noch nie beliebt, in einigen Fällen hat es erhebliche Konflikte um kritische Äußerungen in der Fachpresse gegeben. Als beispielsweise eine Modellzeitschrift die beiden zur gleichen Zeit auf den Markt gekommenen Modelle des Opel Rekord von 1967 miteinander verglich, beschwerte sich einer der beiden betroffenen Hersteller in einem Leserbrief ganz massiv über die Bewertung seines Produktes, in diesem Fall sogar zu Recht. 

Trotzdem finde ich vergleichende Beurteilungen nicht nur mutig, sondern sogar hilfreich und unverzichtbar. Aber nicht nur für den Sammler, sondern auch für den Hersteller. Man kann aus solchen Urteilen viel für die Weiterentwicklung des eigenen Produktes lernen. Dazu eine Anmerkung: Die Existenz der Zeitschrift „test“ der Stiftung Warentest in Berlin hat mit den unabhängigen vergleichenden Untersuchungen der verschiedenartigsten Produkte letztlich zur Folge gehabt, dass die Hersteller sich schlechte Erzeugnisse kaum noch erlauben können. Von dem dadurch erreichten hohen Qualitätsniveau profitieren nicht nur die Kunden, sondern auch diejenigen Produzenten, die sich für die Qualität ihrer Erzeugnisse verantwortlich fühlen. Als Beispiel möchte ich hier die Elektrofirma „Miele“ nennen, deren Geräte meistens hervorragende Beurteilungen erhalten haben. Miele war deshalb am Markt besonders erfolgreich und konnte ein hohes Preisniveau halten.

Daraus sollten die Hersteller der H0-Modelle lernen und nicht von vornherein vergleichende Beurteilungen ablehnen, behindern oder nach deren Veröffentlichung schikanierende Maßnahmen ergreifen, z.B. Werbeinserate im angefeindeten Blatt zurückziehen.

Vergleichende Beurteilungen müssen selbstverständlich kompetent und fair sein. Ein gutes Beispiel war der Vergleich von vier verschiedenen Sattelzugmaschinen vom Typ Mercedes-Benz „Actros“, ein Modell, das jeder namhafte Anbieter im Sortiment haben muss. Die Zeitschrift „modell magazin“ hat im Heft 6/2000 dieses Wagnis unternommen und erfolgreich durchgeführt.

Der ambitionierte Sammler kann für seine eigenen Beurteilungsversuche daraus nur lernen.

Leider sind solche fundierten und kritischen Beurteilungen in den Modellzeitschriften eher die Ausnahme. Mir sind viele redaktionelle Beiträge zu brav, da muss man schon zwischen den Zeilen lesen können, um dem vorsichtigen Text zu entnehmen, wie gut oder schlecht das beschriebene Modell wirklich (nach Meinung des Autors) ist.